1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Ehepaar aus Altjeßnitz: Ehepaar aus Altjeßnitz: Zu Fuß über die Alpen

Ehepaar aus Altjeßnitz Ehepaar aus Altjeßnitz: Zu Fuß über die Alpen

Von Sylvia Czajka 31.08.2015, 10:16
Gudrun und Jochen Dietsch am Timmelsjoch: Er nimmt auf der italienischen, sie auf der österreichischen Seite Platz.
Gudrun und Jochen Dietsch am Timmelsjoch: Er nimmt auf der italienischen, sie auf der österreichischen Seite Platz. Privat/Dietsch Lizenz

Altjessnitz - Rucksack und Körper werden eins, verschmelzen am Ende. Ein physikalisches Wunder, wenn man dem Himmel so nah kommt? Wer hätte das gedacht? Auf keinen Fall Gudrun (63) und Jochen Dietsch (64) vor ihrer Alpenüberquerung (die MZ berichtete). 8,5 Kilogramm haben sie jeweils elf Tage lang, 185,2 Kilometer weit, 8 480 Meter hoch und 10 540 Meter runter auf dem Rücken bugsiert.

Sie sind zurück - gut gelaunt, ohne Rücken, eher mit Blasen, ein bisschen Magen-Darm. Und sie haben sich satt gesehen am Alpenglühen. Doch das gehe eigentlich gar nicht, „sich satt sehen“, meint Jochen Dietsch. Das Auge will immer mehr.

Tja, wie war’s nun? „Extrem heiß. Anstrengend. Aber so schön.“ Die Alpen sind einfach eine andere Kategorie. „Zehn Jahre später hätten wir es wohl nicht mehr über die Berge geschafft“, schätzen die Dietschs ein. Nicht von Oberstdorf bis nach Bozen.

Sieben Stunden täglich bergauf, bergab. 6 Uhr aufstehen. 20.45 Uhr wieder ins Bett. Manch einer habe eine andere Vorstellung von Urlaub. Nicht die Dietschs.

In den Hütten fanden sich für die beiden Altjeßnitzer immer zwei Plätzchen. Oft schliefen sie mit anderen Wanderern in einem Raum, manchmal bis zu 20 Leuten. Abends ist man so kaputt, da schläft man auf der Matratze schnell ein. Das Schnarchen des Nachbarn - kein Problem. Dort oben teilen die Sinne viele Geräusche. Und dann gab’s jenen Punkt im Leben der Gudrun Dietsch, an dem sie mit sich rang: „Du bist zu kaputt, vielleicht schon zu alt, du willst eigentlich nicht mehr, die Hitze.“ Und dann noch Magen-Darm. Den Punkt zu überwinden, sei nicht leicht, zäh. Aber es ist ihr gelungen. Irgendwie. Vielleicht, weil sie bei ihrer Tour nur jüngere Wandersleute trafen. Da lief das Ego noch ein paar Schritte schneller und hielt mit. Schnell wurden Zipperlein unwichtig, gerieten in Vergessenheit beim Anblick von Steinbock und Murmeltier. Aber ihr Blick wurde zeitweise auch sorgenvoll. Als das Gletscherwasser in Strömen von den Bergkuppen über Plastikmatten der Skifahrer schoss. Die Erderwärmung ist in den Alpen angekommen. Täglich über 30 Grad Celsius, täglich etwa 20 Kilometer. Mal weniger, mal mehr. Dietschs Fazit: Die Rucksäcke waren gut gepackt. Nichts Überflüssiges dabei. „Vielleicht hätten wir uns Regenjacke und Handschuhe sparen können. Vielleicht“, sagt Jochen Dietsch. Über die Mitnahme von Kohletabletten denkt Gudrun Dietsch erfahrungsgemäß nach. „Wäre nicht schlecht gewesen.“

Es sei erstaunlich, wie weit der Mensch doch zu Fuß zurücklegen könne, das ist eine Erfahrung, die die Altjeßnitzer auf ihrer Reise machten. „Hallo bella Italia, ich bin zu Fuß hier“, rief Jochen Dietsch hoch oben in die Welt der Berge. Das Echo war Belohnung genug. Die Belohnung für die zwei sah anders aus: ein Gläschen Sekt. Wer kann da schon Nein sagen? (mz)

Aufstieg zum Hirzer (Italien)
Aufstieg zum Hirzer (Italien)
Privat/Dietsch Lizenz