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Campingpark «Lausiger Teiche» Campingpark «Lausiger Teiche»: Von Piranhas und Haien

Von Dirk Skrzypczak 24.08.2004, 16:06

Pretzsch/MZ. - Auf kleinen Wellen tanzen bunte Bojen. Bis zur Markierung dürfen die Schwimmer, nicht weiter. Warum das so ist, erklärt Campingpark-Chef Martin Gille seinen Gästen mit Humor: "Dort hinten lauern Haie, Krokodile und Piranhas." Weiter paddeln ist strengsten verboten.

Tatsächlich brüten in dem Naturschutzgebiet unter anderem See- und Fischadler, ziehen Biber ihre Bahnen. Gille und seine Geschäftspartnerin Helga Voß, die die Gastronomie mit wirklich leckeren Gerichten managt, wollen das Thema mit den tierischen Nachbarn aber lieber nicht an die große Glocke hängen. "Wir wollen nicht, dass Heerscharen von Touristen nach den Adlern suchen." Die stolzen Herrscher der Lüfte sind kurze Zeit später dennoch wieder Gesprächsthema. Naturschutzgebiet und Naherholung beim Camping: Passt das überhaupt zusammen? "Die Adler fühlen sich hier offenbar heimisch", entgegnet Gille (57). Mensch und Umwelt passen nach seiner Sichtweise schon zusammen. "Wir respektieren die Natur. Die Mehrzahl unserer Gäste auch."

Das grüne Herz und der Mensch, die Philosophie des zehn Hektar großen Campingparkes, eingebettet in einen Mischwald, ist gänzlich auf das Miteinander ausgerichtet. Dass der Müll peinlich genau getrennt wird, darf als Selbstverständlichkeit gelten. Nicht aber Freiduschen, die mittels Solaranlagen das Wasser heizen. Energiesparleuchten, Amaturen in Waschräumen, die wenig Wasser verbrauchen, und Kompostierung beruhigen das Umweltbewusstsein und sind im Sinne der Natur. Zu Brut- und Setzzeiten der Vögel sind Großveranstaltungen tabu. Das Konzept kommt an. Gille zieht genüsslich an seiner Zigarre. 110 Dauercamper tummeln sich auf dem weitläufigen Areal. Einer von ihnen ist Hans Silchmüller aus Halle. Seit 1980 ist er regelmäßig hier. "Ich komme wegen der Natur und der Ruhe." Der Baulärm aus der Eingangszone des Parkes, die derzeit um- und ausgebaut wird, passe da gar nicht ins Bild. "Hoffentlich hört der Krach bald auf", schimpft der Fan des FC Bayern.

Der Chef tippt unterdessen eine Zahlenkombination in sein tragbares Telefon. Der Code aktiviert die Schranke. Ein Campinggast will mit seinem Auto zu seinem Stellplatz. "Ich kann den Ärger der Leute ja verstehen", blickt Gille Richtung Silchmüller zurück, der als stillen Gruß die Hände an die Ohren legt. "Die Arbeiten sind aber nötig." Aus Sicherheitsgründen wird der Check-in-Bereich modernisiert. Und dann ist da noch das große Jubiläum im kommenden Jahr, wenn der Campingplatz 50 Jahre alt wird und erstmals seit 1996 wieder ein Ganzjahresbetrieb möglich sein soll. Viel hat sich in fünf Jahrzehnten verändert. Früher standen die Zelte direkt am See. Anfang der 70er wurden das Areal vergrößert, Wasser- und Stromleitungen verlegt. Gerade einmal 40 Quadratmeter waren die Stellplätze groß. Die Camper hingen aufeinander wie die Sardinen in der Dose.

Doch Gille, seit 1986 Lagerleiter, erkannte das Potential, wagte mit Frau Voß die Eigenbewirtschaftung. Viel Geld ist seit der Wende in das Objekt geflossen. Alle 200 Stellplätze haben Stromanschluss und mit je rund 120 Quadratmetern die dreifache Größe wie in der DDR. Für Radfahrer ohne Zelt gibt es vier kleine Wohnwagen, komfortablere Wünsche erfüllen ein Mobilheim sowie eine Ferienwohnung. Apropos Radler. Die teils edlen Metall-, Alu- und Kunststoffrösser finden in abschließbaren Boxen einen sicheren Unterstand. "Ich hätte nie gedacht, dass der Radtourismus einmal so boomen würde", gibt Gille ehrlich zu. Heute machen die Pedalritter einen Großteil des Umsatzes aus. Über Geld will der Parkbetreiber, der fünf Mitarbeiter beschäftigt, aber nicht sprechen. Der lausige Sommer im Juni und im Juli habe die Bilanz verhagelt. Ein Drittel der geplanten Einnahmen sind futsch.

Den Schritt in die Selbständigkeit hat Martin Gille nie bereut. Wann er wohl das letzte Mal in seinem Haus in Bad Schmiedeberg geschlafen hat? Der 57-Jährige verdreht die Augen. "Keine Ahnung, irgendwann Anfang der 90er." Sein Zuhause ist der Zeltplatz, die Wohnung ein Holzhäuschen. Alles hat er seinem Traum vom Campingparadies untergeordnet, jeden Cent investiert. Es ist noch nicht lange her, da kurvte er noch mit seinem Trabi durch die Botanik. Aus Umweltschutzgründen hat er die Rennpappe aber längst in Rente geschickt. "Wer die blauen Abgase einatmen musste, wurde resistent gegen Atomschläge", meint er scherzhaft. Mittlerweile ist in dem kleinen Wäldchen Ruhe eingekehrt. Wer hier Ballermann-Atmosphäre sucht, muss sich eine andere Bleibe suchen. Für Party-Haie sei hier kein Platz. Für Naturliebhaber dagegen schon.