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Buchdorf in Mühlbeck-Friedersdorf Buchdorf in Mühlbeck-Friedersdorf: Foto-Flop zum 18. Geburtstag

Von Ulf Rostalsky 28.09.2015, 13:09
Autor Peter Hoffmann an seinem Stand beim Geburtstag des Buchdorfes in Mühlbeck.
Autor Peter Hoffmann an seinem Stand beim Geburtstag des Buchdorfes in Mühlbeck. Thomas Ruttke Lizenz

Mühlbeck - Mit reichlich Wortwitz warb Heide Dehne für einen besonderen Geburtstag. Die Volljährigkeit des von ihr vor 18 Jahren auf den Weg gebrachten Buchdorfs in Mühlbeck-Friedersdorf sollte zum Fest rund ums Buch werden.

Die Idee des Buchdorfs geht auf Richard Booth zurück. Er gründete 1961 im walisischen Ort Hay-on-Wye das erste Buchdorf. Ein Container Bücher stand am Anfang. Heute ist das Dorf mit seinen 25 Antiquariaten zum Mekka für Bücherwürmer geworden. Das Buch wurde zum Wirtschaftsfaktor. In Mühlbeck-Friedersdorf machte sich Heide Dehne für ein Buchdorf stark. Im September 1997 ging das erste deutsche Buchdorf an den Start.

Festes Schuhwerk empfahl sie wegen der Standfestigkeit. Regenschirme sollten im Gedränge nicht als Waffen genutzt werden, bat sie. Am Ende kam alles anders.

Die Geburtstagsidee samt Foto-Weltrekord fürs Guinnessbuch mit Menschen und Firmen, die den Namen Buch im Namen tragen und sich verewigen lassen sollten, floppte. Statt Hunderter Bücherwürmer waren Sonnabendnachmittag kaum mehr als eine Handvoll Akteure auf dem Mühlbecker Dorfanger zu Gast. Von Gedränge keine Spur. Von Humor allerdings auch nicht.

Zumindest nicht bei Heide Dehne. Ganz anders präsentierte sich Herbert John. Auch er ist Antiquar im Buchdorf, war im Buchdorf-Verein eine zeitlang Vorsitzender und rechnete dabei offen mit Dehne und deren Amtsführung ab.

Über die Querelen berichtete die MZ mehrfach. „Sieht ja hier nach Massenansturm aus“, erklärte John süffisant und machte Fotos. „Für die neue Buchdorf-Chronik.“ Die Fronten im Ort der Bücher sind offenbar weiter verhärtet. Heide Dehne war zum Geburtstag Einzelkämpferin und versuchte sich in einer Erklärung des Flops. „Wir haben den Zeitpunkt ungeschickt gewählt für Menschen, die anderswo eingebunden sind.“

Dehne spricht von starker Konkurrenz durch zahlreiche andere regionale und überregionale Veranstaltungen und der Tatsache, dass ein anderer Termin fürs Fest nie in Frage gekommen wäre. Geburtstag sei nun einmal Ende September. „Die Fotoidee wird vertagt.“ Wann sie wiederholt werden soll, ist jedoch völlig offen. Der Geburtstagsflop stellte auch Andreas Buchwald vor ein Rätsel. Der gebürtige Sachse und Wahl-Allgäuer hatte mit mehr als 500 Kilometern die weiteste Anreise. „Sie hat doch auch bei der Buchmesse für das Geburtstagsfest geworben“, stellt er sich vor Heide Dehne. Er lebte mit der Tristesse auf dem Dorfanger. Dort, wo er vor mehr als zehn Jahren mit der Lesung seiner Geschichten aus der Kohle erste Achtungserfolge setzte. Buchwald – übrigens der einzige, der es bei der Fotoidee wegen des Namens aufs Bild geschafft hätte – sinnierte fortan über eigene Bücher und Ideen sowie die Kraft des Wortes.

Er schreibt sich frei. Setzt auf Mystery, Romane mit reellem Hintergrund und Wiedererkennungswert. Er ist „der Mann mit Hut“ und so leicht nicht umzuwerfen. Auch der Friedersdorfer Peter Hoffmann ist relativ gelassen angesichts der ausbleibenden Besucher. Er hatte bereits am Vormittag im Lutherhaus vor großer Kulisse lesen sollen, es am Ende aber nur mit einem Zuhörer zu tun gehabt. Dafür hängte er spontan eine Lesung für die Mädchen und Jungen des Kinderkirchenvormittags an. „Ich nehme es locker. Lieber einen Menschen getroffen und ihn begeistern können, als gar keinen.“ Peter Hoffmann sucht das Gute, Harald Kriegler setzt auf Humor und Hintersinn.

Auch der jahrelang für den Eulenspiegel aktive Bitterfelder war nach Mühlbeck gekommen, hatte „Hintersinnsprüche“ im Gepäck und die Lust aufs Lesen mitgebracht. Die Flaute auf dem Dorfanger kommentiert er nicht. Er wollte Buchdorfs Geburtstag feiern und musste nicht lang gebeten werden. „Wir kennen uns hier alle. Ich bin seit 20 Jahren vor Ort.“ Heide Dehne hat die Sprache wiedergefunden. Sie schwärmt vom Buchdorf und erzählt von dessen Anziehungskraft. Die hat zum Geburtstag allerdings versagt. (mz)

Einziger Teilnehmer des Rekordversuchs war Andreas Buchwald.
Einziger Teilnehmer des Rekordversuchs war Andreas Buchwald.
Thomas Ruttke Lizenz