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Briefmarken Briefmarken: 30 Jahre Kiloware für Auktionen

Von Irina Steinmann 20.08.2004, 16:18

Wittenberg/MZ. - Die kleinen bunten Bildchen, die Rudolf Aulich, bald 79 Jahre alt, seit nunmehr 30 Jahren im eigenen Haushalt und vor allem bei verschiedenen Wittenberger Firmen einsammelt, so etwa auch bei der MZ, landen sofort in einer Sammelstelle in der Gustav-Adolf-Straße, von wo aus sie in die Zentrale gehen, nach Kaisershagen, das ist ein kleiner Ort in der Nähe von Mühlhausen im Thüringischen.

"Ich bin das letzte Glied in der Kette", sagt Rudolf Aulich. Und dass "auf die individuelle Marke keine Rücksicht genommen wird. Das ist Kiloware", Kiloware, die auf Messen und Auktionen in großen Beuteln an die Leute gebracht wird, deren Leidenschaft Aulich noch nie in seinem Leben geteilt hat: Sammeln um des Sammelns und Besitzens willen. Rudolf Aulich sammelt vielmehr für einen guten Zweck: die Unterstützung Alleinerziehender und ihrer Kinder, eine Initiative der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden in Deutschland, zu denen auch seine Gemeinde gehört, die Hoffnungskirche in der Wittenberger Fleischerstraße.

Ein Engagement, das Rudolf Aulich, wie er es bescheiden formuliert, für "nicht ganz ergebnislos" hält. Allerdings beobachtet er seit einiger Zeit eine "rückläufige Tendenz" des Marken-Aufkommens in den Betrieben. "Erkenntnisse, die einem nicht gefallen können", für die es aber natürlich eine Begründung gibt. Es ist die "neue Technik". Aulich redet nicht von Fax und E-Mail, die Gegner heißen vielmehr Frankiermaschine und Telefon. Er selbst hat keines, wie er auch kein Auto hat. "Wir sind noch DDR-Bürger", sagt der Rentner freundlich. Bescheiden, soll das wohl heißen, und anspruchslos.

40 Jahre lang, bis 1990, hat Rudolf Aulich bei Gresse gearbeitet, zuletzt als Finanzplaner. Wie so viele Menschen in Wittenberg ist auch er allerdings nicht hier geboren. Aulich stammt aus Schlesien und kam erst 1948, aus russischer Kriegsgefangenschaft, in die Lutherstadt. Schon drei Mal war er inzwischen in seiner alten Heimat, wo er stets "recht freundliche Aufnahme gefunden hat bei den neuen Hausbesitzern", Polen. Aufmerksam registriert hat er dort, dass die Möbel noch die alten waren, ja, sogar die Gartenbank am Haus stammte noch aus der Zeit, als er ein junger Mann war in Schlesien. Diese jahrzehntelange Nachnutzung gefällt ihm, er hegt keinen Groll. "Das sind ja auch alles Flüchtlinge gewesen." Geteiltes Schicksal wiegt weniger schwer. In Deutschland fragt sich Rudolf Aulich neuerdings, ob die Zuwendungen, die Bedürftige aus dem mildtätigen Markenverkauf erhalten, in irgendeiner Form angerechnet werden müssen im Zusammenhang mit den Hartz-IV-Reformen.

Wer mitsammeln möchte, kann sich an die Hoffnungskirche, Fleischerstr. 11 / 12 wenden.