1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Bitterfeld-Wolfen: Bitterfeld-Wolfen: Willkommen im Leben

Bitterfeld-Wolfen Bitterfeld-Wolfen: Willkommen im Leben

Von Sylvia Czajka 10.07.2012, 17:39

Bitterfeld-Wolfen/MZ. - Der Tumor im Kopf hat ihm das Augenlicht genommen. Nicht ganz, lächelt er. "Da ist noch ein Tunnel zu sehen." Der, so hofft Torsten Brucke, bleibt hell. Lange, ganz lange. Zehn Jahre ist es her, da hat das Geschwür im Kopf sein Leben verändert. Komplett. Autoverkäufer war er einst, jetzt kann er nicht einmal mehr Auto fahren. Schuld ist das Ding da oben drin. "Das hat mich auch zu einem anderen Menschen gemacht", meint der 48-Jährige.

"Jetzt ist es schön, nach langer Zeit wieder am Leben teilhaben zu können", sagt der Wolfener heute. Das wäre ohne "Liane" und meine Kinder nicht möglich gewesen. "Ich liebe meine Frau und verdanke ihr alles."

Eine andere Möglichkeit wieder mittendrin zu sein, gibt ihm ein Projekt. "Engagiert im Tandem" nennen es jene, die es ins Leben riefen, sich dafür stark machen. Die Trägerschaft dafür übernahm Biworegio in Kooperation mit der Agentur für Freiwillige in der Region Bitterfeld-Wolfen "Mehrwert". Aufgenommen ist "Engagiert im Tandem" ins Bundesprogramm für Toleranz und Demokratie. Torsten Brucke ist jetzt ein Teil davon.

Er gehört zum Team des Mehrgenerationenhauses in Wolfen, betont Projektkoordinatorin Birgit Wessel. Dank seiner Hilfe wird die Web-Seite des Hauses auf Vordermann gehalten. Da steckt viel Zeit drin, sagt sie. Brucke nimmt die sich gern. Unter Druck steht er nicht. "All das, was ich mache, dauert seine Zeit", sagt er. Doch am Ende lohnt es sich, weiß Birgit Wessel. "Hinter dem Ofen zu sitzen, war noch nie mein Ding."

Menschen mit Behinderung lassen nicht sich helfen, sondern engagieren sich selbst für andere, erläutert Birgit Wessel die Idee hinter "Engagiert im Tandem". Tandem? Das bedeutet in der Regel zwei. Der Mensch mit Behinderung sowie eine Bezugsperson. Die kann es geben, muss es aber nicht. Zwei engagieren sich für eine Sache, erläutert Frau Wessel. Genau wie Heiko Lawrenz und Vater Lutz. Sie haben im Wolfener Jugendclub Phönix viele Aufgaben. Lutz Lawrenz kümmert sich um den Garten. Sohn Heiko will die Arbeit mit Jugendlichen nicht mehr missen. All das funktioniert im Phönix.

Heiko Lawrenz arbeitete einst als Diplom-Ingenieur Elektronik / Elektrotechnik, lief mit elf Jahren allen davon - wurde DDR-Meister. Geschichte. Acht Schlaganfälle veränderten sein Leben und das seiner Familie. 45 Jahre ist er alt und will nicht zulassen, dass ihm die Decke auf den Kopf fällt. Die Zeit am Vormittag verbringt er im "Aufbruch" in Bitterfeld. Einem Verein, der sich für die Förderung seelisch Kranker stark macht. Zweimal die Woche kann man ihn im Wolfener Phönix antreffen. Hier bastelt er mit Kindern, spielt mit ihnen Billard, hat Spaß bei der Arbeit. Die Familie gibt auch ihm Halt. Über Vater Lutz sagt er: "Ich bin froh, dass ich ihn habe. Er ist ein aktiver Mann, der mitten im Leben und mir immer zur Seite steht".

Am 31. Dezember 2012 endet übrigens das Projekt "Engagiert im Tandem". Ob es eine Zukunft hat? Birgit Wessel hofft es. Denn für die Menschen, die mittendrin stecken, sei es auch eine Erhöhung der Lebensqualität. Raus aus den vier Wänden - hinein, wo das Leben spielt.