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Bitterfeld-Wolfen Bitterfeld-Wolfen: Oberbürgermeister Schenk weckt Hoffnung auf Neuanfang

Von Frank Czerwonn 02.03.2017, 06:00
Die MZ veröffentlicht die Antrittsrede von Armin Schenk im Wortlaut.
Die MZ veröffentlicht die Antrittsrede von Armin Schenk im Wortlaut. Kehrer

Wolfen - Der aktuelle Hit des Sängers Clueso könnte jetzt auch als Motto für die Stadt Bitterfeld-Wolfen stehen: „Neuanfang“. Diese Hoffnung verbinden zumindest viele Bürger mit dem Wechsel im Rathaus.

Und der neue Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) gab Dienstagabend nach seiner Vereidigung im Stadtrat diesem Wunsch Auftrieb. In seiner Antrittsrede warb er für eine Aufbruchsstimmung und kündigte verschiedene Veränderungen sowie mehrere Sofortmaßnahemn an.

Die MZ dokumentiert die Rede von Armin Schenk im Wortlaut. (mz)

Die komplette Antrittsrede von Armin Schenk im Wortlaut

Sehr geehrte Frau Stadtratsvorsitzende Zoschke,
sehr geehrter Herr stellvertretender Oberbürgermeister Hülßner,
sehr geehrte Damen und Herren Stadträte,
sehr geehrte Damen und Herren Ortsbürgermeister,
sehr geehrte Frau Personalratsvorsitzende Niczko,
sehr geehrte Frau Gleichstellungsbeauftragte Marx,
liebe Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Bitterfeld-Wolfen,
liebe Familie, liebe Freunde, liebe Gäste,

ich danke allen, auch denen die ich vielleicht nicht persönlich angesprochen habe für Ihre Anwesenheit an diesem bedeutsamen Tag für unsere Stadt und mich.
Seien Sie herzlich Willkommen.

Es ist sehr angenehm in einen sehr gefüllten Stadtratssaal zu blicken, ich freue mich, dass neben dem Stadtrat so viele Gäste zur Ernennung, Vereidigung und Verpflichtung des neuen  Oberbürgermeisters der Stadt Bitterfeld-Wolfen anwesend sind. Natürlich ist es für mich eine besondere Freude meine Frau Ines, welche aufgrund Ihres heutigen Geburtstages in gleicher Weise im Mittelpunkt steht, sowie Familienmitglieder und Freunde hier im Stadtratssaal zu wissen.

Zunächst gestatten Sie mir noch einmal auf die Wahl zurückzublicken und ausdrücklich den Wählerinnen und Wählern in der Stadt Bitterfeld-Wolfen meinen Dank für ihr Vertrauen zum Ausdruck zu bringen. Unabhängig davon fühle ich mich  gleichsam in die Pflicht genommen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, welche mir nicht ihre Stimme gegeben haben und auch für die, welche nicht an der Wahl teilgenommen haben. Im Weiteren nutze ich diese Gelegenheit im Nachhinein den Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters in der Stadt Bitterfeld-Wolfen (von denen ja auch heute einige anwesend sind) meine Achtung auszusprechen, denn politischer Wettbewerb  ist ein essentieller Bestandteil der Demokratie.

Bevor ich mich allerdings inhaltlichen Fragen meiner Arbeit als Oberbürgermeister widmen möchte, ist mir ein Bedürfnis Ihnen Frau Stadtratsvorsitzende Zoschke meinen Dank für Ihre Worte zur Ernennung, Verpflichtung und Vereidigung auszusprechen sowie Ihnen auch zu danken, für Ihre Bereitschaft den avisierten Termin 01.03.2017 zugunsten einer bereits fest geplanten, traditionell politischen Veranstaltung am Aschermittwoch auf den heutigen Tag zu verschieben.

Frau Zoschke, es war spürbar, dass Sie den ehrenvollen Auftrag im Namen des Stadtrates  mich zu ernennen, zu vereidigen und zu verpflichten nicht als reine Pflichterfüllung sondern mit Herz wahrgenommen haben. Erinnert mich das doch daran, dass Sie bereits im Rahmen des Vorlesemarathons in Bitterfeld am 17. November des letzten Jahres davon überzeugt waren, dass trotz der bestandenen Einwände  ich dieses Amt übernehmen werde.

In diesem Sinne wünsche ich mir mit Ihnen - hier auch stellvertretend für den gesamten Stadtrat - eine konstruktive Zusammenarbeit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

lassen Sie mich einleitend einige grundsätzliche Bemerkungen machen.

Wir leben in Deutschland in der längsten Friedensepoche, die wir jemals hatten, dennoch leben wir in einer Zeit der Krisen und auch des Terrors. Erinnert sei hier an die Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die Eurokrise.  Wir können auf diese Dinge als Stadt wenig Einfluss nehmen, dennoch beeinflussen sie uns. Dies allein sind schon herausfordernde Aufgaben für unsere Gesellschaft. Dazu kommt in unserem Land und unserer Stadt - obgleich auf einem ganz anderen Blatt - die Demografische Entwicklung und der neuerdings eingetretene Drang zur Hysterisierung. Daneben hat man oft das Gefühl, dass FakeNews und postfaktische Denkgebilde den gesellschaftlichen Diskurs mehr beeinflussen als die tatsächliche Situation.

Sind das die Ansatzpunkte unseres Handelns?  Ich denke nein - vielmehr glaube ich, dass wie die Situation auch immer ist - auf einer sachlichen Analyse ein beherztes und engagiertes Vorangehen eine positive Entwicklung ermöglicht und Voraussetzung für den Erfolg ist. Und dies gilt in gleicher Weise für unsere Stadt Bitterfeld-Wolfen. Im Übrigen folgt daraus ebenso meine Überzeugung, dass alles Schlechtreden unserer Stadt - von wem auch immer -  nicht der Stadt hilft. Nichts gegen Kritik - diese muss sein, aber sie sollte immer konstruktiv sein.

Wir sind aus Sicht der Einwohnerzahlen die 6. größte Stadt in Sachsen-Anhalt, haben eine robuste Wirtschaft, viele Arbeitsplätze eine akzeptable Kultur- und Sportlandschaft, viele Vereine  - Sie wissen alle: ich könnte dies fortsetzen.

Dennoch einfach zu sagen, "alles ist gut" ist auch nicht der richtige Weg. Auch mir ist klar: Wir haben einiges zu tun.

Im Kern stellt sich die Frage, was ist in der Stadt Bitterfeld-Wolfen die Aufgabe aller Aufgaben? Und hier denke ich - dass so, wie ich es  während meiner Kandidatur geäußert habe - die wichtigste Aufgabe in unserer Stadt die Organisation des "Zusammen Wachsens" ist.

Nun bietet diese Aufforderung mindestens 2 differenzierbare Überlegungen nämlich ein Zusammenwachsen im Sinne von einem Zueinander Wachsen (also sich auf einander zubewegen)

und ein Zusammenwachsen im Sinne von einem gemeinschaftlichen Wachsen (also gemeinsam in der Stadt Wachstum/Entwicklung zu erreichen).

Lassen Sie mich  dies in 3 Bereichen konkretisieren:

nämlich in den Bereichen Stadtfinanzen, Stadtentwicklung, Stadtwohlgefühl

1. Stichwort Stadtfinanzen:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

es ist die größte Aufgabe die Handlungsfähigkeit der Stadt wieder auf bessere Finanzen zu stellen. Ich weiß wie schwer dies sein wird im Hinblick auf unseren Kassenkredit und  bei den vielen Wünschen, die in der Stadt vorhanden sind. Auch wenn es in der Sache richtig war und ist - ein stetiges Wiederholen "Das geht nicht, das können wir uns nicht leisten" hat eine sehr demotivierende Wirkung in der gesamten Stadtgesellschaft.  

Mein Ziele habe ich bereits während meiner Kandidatur geäußert:  die Einnahmeerhöhung für die Stadt und ein Sparen mit Augenmaß. Insbesondere zu Letzterem  will ich mir in den ersten dreißig Tagen einen tieferen Einblick als bisher verschaffen und prüfen, ob es tatsächliche adäquate Sparpotentiale gibt.

Niemand bleibt oder zieht in eine Stadt, die sich kaputt spart. Und gerade das Binden von Menschen -  insbesondere  junge Menschen - sowie der Zuzug in unsere Stadt ist - so denke ich - unser gemeinsames Ziel.

Einnahmeerhöhung bedeutet für mich gemeinsam mit der Wirtschaft auszuloten, welche Verbesserungen für die Stadt erreicht werden können. Auch dies will ich sofort angehen. Allerdings ist diese Aufgabe ist ein kontinuierlicher Job, insofern wird Wirtschaftsförderung bei mir Chefsache sein. Unter Umständen müssen wir für dieses Ziel auch einmal unkonventionelle Wege gehen.

2. Stichwort Stadtentwicklung:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

in diesem Jahr muss Klarheit sein, wie es mit der Innenstadtbebauung in Bitterfeld weitergeht. Nur wenn hierzu für Investoren bauplanerische Verbindlichkeit und kommunale  Verlässlichkeit besteht, kann dieses Vorhaben erfolgreich sein.  

Mit den Stadträten sowie den Interessensvertreten hat derzeit die Diskussion um die Fortschreibung des Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes begonnen. Ich halte nach wie vor diese Fortschreibung für den richtigen Ansatz - ich  will allerdings kurzfristig mit einem Zentrenmanager eine Attraktivitätsverbesserung in ausgewählten Zentren erreichen.

Im Bau- und Vergabeausschuss hat kürzlich die Diskussion um die Wohnbauflächenbilanz in der Stadt Bitterfeld-Wolfen begonnen. Diese Bilanz mit Flächenausweisung ist die entscheidende Voraussetzung, wo wir die  Schwerpunkte der Wohnbauflächen setzen und soll ebenso in diesem Jahr fertig gestellt werden. Die in diesem Papier als entwicklungsfähig ausgewiesenen Flächen möchte ich zeitnah in das Angebotsportfolio der Stadt bringen, um damit weitere Angebote für Wohn- oder Bauinteressenten zu generieren.

Wiederkehrend habe ich mich dafür ausgesprochen, dass die Breitbandversorgung – also schnelles Internet - in der ganzen Stadt eine wichtige Aufgabe ist. In Kürze stehen hierzu die 1. Gespräche mit dem Netzbetreiber an, bei denen ich mich für ein beschleunigtes Vorgehen einsetzen werde.

Ich will für die Stadt alle Chancen, die in der Digitalisierung bestehen, ergreifen, ob nun in der Verwaltung oder für Stadtgesellschaft. Voraussetzung hierfür ist eine allerdings eine leistungsfähige Infrastruktur, die es zu schaffen gilt.

Bitterfeld-Wolfen ist die Stadt, die der Photovoltaik einen Entwicklungsschub gegeben hat, und heute viele Solaranlagen gerade in der Stadt aufweist. Aus diesem Grund muss nach meinem Dafürhalten auch die Stadt Pionier beim Thema Elektromobilität sein.  Hier suche ich den Schulterschluss mit den Stadtwerken Bitterfeld-Wolfen und allen Institutionen, die an diesem Thema interessiert sind.

Aktuell brennen mir aber auch die Aufgaben Ordnung und Sauberkeit auf den Nägeln. Ich will in den ersten Wochen sehr schnell eine  Übersicht über alle „Dreckecken“ in der Stadt haben. Das gleiche gilt für die Ruinen und Schrottimmobilien in der Stadt. Auch hier will ich auf der Basis einer Übersicht im Einzelnen aktiv werden.

Während meiner Kandidatur bin ich oft auch auf den Zustand der Fußwege, der Fahrradwege sowie zur Barrierefreiheit angesprochen worden.  Sie können sich sicher sein, dass auch diese Punkte auf der Agenda ganz weit oben stehen.

3. Stichwort Stadtwohlgefühl:

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

mein Ziel ist es zu erreichen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger viel mehr mit der Stadt Bitterfeld-Wolfen identifizieren. Positives Stadtimage beginnt zunächst bei uns allen selbst und findet seine Fortsetzung auch in dem, wie wir persönlich nach außen wirken.

Ich bin davon überzeugt, dass gerade unser 10-jähriges Jubiläum - welches dieses Jahr ansteht - neben vielen anderen schönen Veranstaltungen in der Stadt ein Baustein für positives Innenmarketing sein wird.

In Bezug auf die direkte Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern will ich stärker als bisher Handeln und Agieren der Verwaltung erläutern. Dazu gehören nicht nur die Einwohnerversammlungen sondern auch die Bürgersprechstunden mit den Ortsbürgermeistern sowie die Sprechstunden auf den Märkten in Bitterfeld und Wolfen-Nord mindestens 2mal pro Jahr.

Aber auch unser Außenmarketing muss sich verbessern. Unsere Stadt mit Ihren Bürgerinnen und Bürgern, die so unglaublich viel in den  letzten 26 Jahren seit der Wiedervereinigung geleistet haben, muss eine bessere Wahrnehmung erhalten. 

Sport, Kultur- und Kunst sind wichtige Säulen in unserer Stadt. Insofern wird es mein Bestreben sein, die bestehenden aktiven Einrichtungen zu erhalten. Es ist mein persönliches Ziel, dass in Wolfen wie in Bitterfeld städtische kulturelle Innenhausveranstaltungen angeboten werden.

Unabhängig aller Entwicklungen für das Zusammenwachsen halte ich eine gewisse Eigenständigkeit der Ortschaften für unabdingbar in der Stadt Bitterfeld-Wolfen. Engagement und Begeisterung für unser Gemeinwesen gehen zumeist aus diesen Ortschaften aus. Das ist verständlich, da man in Bobbau, Wolfen, Thalheim, Rödgen, Greppin, Bitterfeld und Holzweißig  auf eine Geschichte von vielen hundert Jahren zurückblickt.

Ich will daher bereits in der 1. Woche meiner Amtszeit die Ortschaftsratssitzungen besuchen und diese Besuche als ein Ziel fest im Auge behalten.

Aber auch die Frage, in welcher Qualität und wo werden die Verwaltungsdienstleistungen angeboten, sind für das Stadtwohlgefühl von Bedeutung. Ich werde kurzfristig prüfen, unter welchen Bedingungen und wie schnell Dienstleistungen des Einwohnermeldeamtes am Standort Bitterfeld angeboten werden können.

Insgesamt will ich dafür arbeiten, dass in der Stadt ein Klima der positiven Veränderungen entsteht. Mein Ziel ist hierzu spätestens Anfang Mai mit den Fraktionsvorsitzenden in einer Klausur deren und meine Vorstellungen zu diskutieren.

Sie hören daraus, dass für mich die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat wichtiger Ansatz ist. Dieser Gedanke besteht gleichsam mit Blick auf  die Zusammenarbeit mit dem  Personalrat in der Stadt Bitterfeld-Wolfen.

Ich hatte ja bereits die Möglichkeit an mehreren Tagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung kennen zu lernen. Ich habe dabei leistungsbereite und sympathische Menschen kennengelernt. Denen will ich ein fördernder aber auch fordernder Chef sein. Ich setze auf deren Kompetenz und möchte das Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen. Auch hier soll ein Klima der positiven Veränderungen einziehen.

Mit Blick auf unsere Region lohnt es sich auch vor Augen zu führen, dass  Bitterfeld-Wolfen nicht allein auf der Welt ist.  Und so setze ich  auf eine  Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn der Gemeinde Muldestausee sowie den Städten Raguhn-Jeßnitz, Zörbig, Sandersdorf-Brehna und Delitzsch. Bereits jetzt bin ich mit Raguhn-Jeßnitz zum Thema Fußgängerbrücke am Bahnhof Jeßnitz im Gespräch.

Liebe Einwohnerinnen und Einwohner von Bitterfeld-Wolfen, meine sehr geehrten Damen und Herren,

viele Punkte, die in der Tat riesige Aufgaben sind, habe ich jetzt genannt. Aber es sind lange nicht alle. Allein wird mir das nicht gelingen, ich brauche Sie alle, ob Sie nun als Krankenpfleger, Kindergärtnerin,  Verkäuferin,   Produktionsarbeiter und so weiter in der Stadt tätig sind.     Die Stadt sind wir alle zusammen.

In dieser Weise wünsche ich mir eine partnerschaftliche und erfolgsorientierte  Zusammenarbeit mit der Verwaltung, dem Stadtrat und der Stadtgesellschaft zum Wohle unserer Stadt.

Lassen Sie mich zum Schluss einige persönliche Worte sagen:

Ich bin stolz und es ist mir in gleicher Weise eine Ehre ist, Oberbürgermeister der Stadt Bitterfeld-Wolfen zu sein. Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe.

Bei den Aufgaben, die ich bisher zu bewältigen hatte, galt für mich immer die Maxime: "Wenn Du es eilig hast, gehe langsam". Trotz aller drängenden Fragen muss die Zeit immer wieder vorhanden sein, Entscheidungen intern abzuwägen und dann dafür die politischen Mehrheiten zu gewinnen.

Ich will führen, aber auch moderieren, integrieren und so vorhandene oder auch aufgerissene Gräben zuschütten. Dies gilt für meine Aufgabe in der Verwaltung, im Stadtrat sowie in der Stadtgesellschaft.  Mein Ziel ist der gemeinsame Erfolg in unserer Stadt. Dabei werde ich mit Sicherheit es nicht allen recht machen. Aber diesen Ansatz zu haben, wäre von vorn herein der Weg zum Misserfolg und diesen braucht unsere Stadt keinesfalls.

Lassen Sie uns gemeinsam an die neuen Aufgaben gehen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit