Bitterfeld-Wolfen Bitterfeld-Wolfen: «Man hätte viel gespart»
Wolfen/MZ. - Nachdem die MZ anlässlich des fünften Geburtstags der großen Stadt Bitterfeld-Wolfen bereits in Holzweißig, Greppin, Bobbau, Thalheim und Bitterfeld war, stoppte das MZ-Mobil am Mittwoch vor dem Kulturhaus in Wolfen zum vorerst letzten Halt in den Ortsteilen.
"Die Zusammenlegung hat uns auch etwas gebracht", ist Regina Netzband, stellvertretende Ortsbürgermeisterin von Wolfen (SPD), überzeugt. "Das Rathaus ist entstanden und die Entwicklung der Goitzsche ist ein wichtiger touristischer Punkt", so Netzband.
Es wäre ein schöner Schlusssatz, würde nicht schon die Ansicht über das Rathaus die Wolfener Gemüter spalten. "Es ist ein riesiger Prunkbau geworden", sagt Günter Franz. Er, der sich selbst mit Stolz als Urwolfener betitelt, ist 1937 in Wolfen geboren. "Das war das gleiche Jahr, in dem der Bahnhof errichtet wurde." Nun ist der Bahnhof Stadtgespräch. Franz hängt nicht so sehr an dem Bahnhofsgebäude. Er sei nicht mehr das Tor der Welt, wie er einmal war, als Tausende Arbeiter ankamen. "Aber wenn schon früher ein Konzept für den Bahnhof bestanden hätte", ist Franz überzeugt, "wäre der Rückbau der Stadt nicht so teuer gekommen." Varianten werden diskutiert, was aus dem Gebäude werden soll, was aus den Investoren geworden ist, bis André Krillwitz von der Initiative Pro Wolfen kundgibt, das Gebäude kaufen zu wollen. "Das ist ernst gemeint. Ich habe auch einen Ruf zu verlieren und mache damit keinen Scherz", sagt Krillwitz. Er habe bei der Stadt ein Konzept eingereicht. "Doch die Verwaltung hat nur gefragt, ob ich das wirklich will." Was aus dem Bahnhof genau wird, bleibt erst einmal offen, interessiert die Wolfener aber ebenso wie die Frage, was aus dem Kino wird. Darauf kann Netzband keine Antwort geben. Zum Rathaus allerdings schon. "Es ist ein wichtiger architektonischer Bau", so Netzband. Ein solches Gebäude gäbe es nur noch in Frankfurt am Main, die Renovierung war wichtig. Auch dazu meint Franz: "Wäre zur Renovierung schneller eine Lösung gefunden worden, hätte man gespart."
Thomas Krüger von der Bürgerinitiative gegen Mieterhöhung hat zum Rathaus zu sagen, dass er das Gefühl habe, "dass sich in den fünf Jahren die Verwaltungsstrukturen nicht wirklich verbessert haben." Diejenigen Bitterfeld-Wolfener, die nicht in Wolfen lebten, müssten zudem weite Wege in Kauf nehmen, um überhaupt ins Rathaus zu gelangen. Mit der Bürgerinitiative setzt er sich gegen die Mieterhöhungen in Wolfen-Nord ein. "Wir warten jetzt auf die Verhandlung beim Amtsgericht am 4. Juli. Je nachdem, ob ein Urteil gefällt wird oder wie das Verfahren weiterläuft, verhandeln wir weiter."
Edith Huhn ist dabei eine von vielen Mietern, die auf den Erfolg der Verhandlungen hofft. "Ich wohne seit 37 Jahren in der ersten Etage am Ring der Bauarbeiter", verrät sie. Im Keller verrosteten die Rohre, Fenster seien nur notdürftig repariert. Jahrelang habe sie sich inzwischen schon mit wechselnden Sachbearbeitern auseinandergesetzt.
Auch Günter Franz kennt solche Auseinandersetzungen. "Es ist ein Chaos, wenn Bürger plötzlich im Alter vor dem Gericht stehen", so Franz. Da könne etwas nicht richtig laufen, sagt er voller Entsetzen.
Knuth Rößler, ebenfalls von der Bürgerinitiative gegen Mieterhöhungen, kennt solche Probleme zur Genüge. "Inzwischen reagiert ja immerhin die WBG. Doch mein Gefühl ist auch, dass die Renovierungsarbeiten sehr lieblos verrichtet werden oder nur das Notdürftigste gemacht wird", so Rößler.
Es erwecke in ihm manchmal das Gefühl, dass durch die Mieterhöhungen der Rückbau finanziert werden müsse.
Gleichermaßen ist der gebürtige Wolfener schockiert über die Friedhofsgebühren. "Es waren fünf Jahre Zeit, ein Konzept dafür zu erarbeiten. Man hätte auch in kleinen Schritten erhöhen können und nicht so viel auf einmal." Franz stimmt zu. "Es sind jetzt auch sehr viele Friedhöfe. Jeder Ortsteil hat seinen. Das kostet viel Geld."
Eine Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte, spricht die verfallenen Häuser an der Kreuzung Leipziger und Thalheimer Straße an. "Seit Jahren zerfallen diese Häuser immer mehr. Es ließe sich eine schöne Grünfläche errichten. Oder auch ein Toilettenhäuschen."
Wenn Bitterfeld-Wolfen schon eine Seniorenstadt wird, dann wenigstens eine, die es den Senioren angenehm mache. Dem stimmt auch Krüger zu. "Ich beobachte häufig, dass Menschen im Rollstuhl oder mit Rollatoren oftmals nur mühselig vorankommen. Mir scheint, dass ein Gesamtkonzept dafür fehlt. Pläne scheint es nur für die Goitzsche und einen Hafen zu geben." Große Hoffnungen habe man da zur letzten Wahl auf den Bürgermeisterkandidaten aus Fulda gesetzt. "Der hätte frisches Blut in die Stadt gebracht, andere Erfahrungen und Beziehungen", sagt Hans Reppin. Nur wenn wieder mehr Industrie angesiedelt werde, ist der Wolfener überzeugt, könnten auch junge Familien wieder stärker für Wolfen begeistert werden. Während der Wende habe er gemerkt, dass alles, was schnell weg musste, auch schnell weg gewesen sei. "Hätte die Stadt den Bahnhof nicht von der Bahn-AG gekauft, würde die Bahn jetzt den Rückbau finanzieren." Das würde ihn ohnehin mal interessieren, was der Zusammenschluss finanziell gebracht hat. "So eine Bilanz könnte man nach fünf Jahren schon mal ziehen." Und, so Krüger, es müsste den Ortsbürgermeistern wieder mehr Gewicht im Stadtrat eingeräumt werden.