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Bitterfeld Bitterfeld: Sightseeing auf der Goitzsche

Von detmar oppenkowski 04.11.2012, 18:39

Bitterfeld/MZ. - Der Wind peitscht den Regen gegen die Scheiben der "MS Vineta". Doch Hartmut Dornheim ist gegen solche Wetterlagen immun. "Leinen los", ruft der Kapitän des Fahrgastschiffes. Und schon sticht es zum letzten Mal in der offiziellen Saison in See.

"Halbe Kraft voraus", sagt er und die 344 PS-starken Motoren heulen auf. Mit fünf Knoten, also etwa zehn Kilometern pro Stunde, geht es in Richtung Pegelturm samt Seebrücke. Seit 2006 schippert Kapitän Dornheim nun schon über den Goitzschesee. "Doch obwohl ich schon mehr als 1 800 Fahrten unternommen habe, wird es nie langweilig." Mit dem Wetter und den Jahreszeiten ändere sich immer auch die Perspektive.

Gerade für Gäste sei der Blick vom Wasser aufs Land etwas völlig Neues. So auch für Ed Conway. Er ist einer von 30 000 Passagieren, die in diesem Jahr mit der MS Vineta die Goitzsche erkundet haben. Eigentlich lebt der 35-Jährige in London. Doch gerade ist er zusammen mit seiner deutschen Frau bei den Schwiegereltern zu Besuch.

"Sightseeing", also die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten, gehört bei einem Abstecher nach Deutschland für ihn einfach dazu. Egal, bei welchem Wetter. "Heute ist es aber schon sehr britisch", sagt er schmunzelnd. Dennoch sei es ein einmaliges Erlebnis. "Kaum vorzustellen, dass hier einmal Braunkohle gefördert wurde", staunt er und meint, dass sein Schwiegervater ihm schon viel von der wechselhaften Geschichte und dem Wandel der Region erzählt hat. "Das alles ist sehr beeindruckend." Während Conway durch die regenbeschlagenen Scheiben nun die Halbinsel Pouch erblickt, erfährt er durch eine der vielen Lautsprecherdurchsagen mehr über die Geschichte der Goitzsche. "Früher war das hier eine blühende Auenlandschaft. Durch den Tagebau wurde sie in eine Mondlandschaft verwandelt. Mittlerweile ist hier ein umfassendes Erholungs- und Naturschutzgebiet mit einer fast 25 Quadratkilometer großen Wasserfläche entstanden."

Das lässt auch Petra Wildgrube aufhorchen. Die junge Frau stammt ursprünglich aus Bitterfeld und ist Anfang der 90er Jahre in die Oberpfalz gezogen. "Ich kenne also noch die riesigen Braunkohletagebaue und den Dreck und das Grau drumherum", sagt sie. Zwar würden sie jetzt 320 Kilometer von ihrem Geburtsort trennen, "aber trotz der Entfernung verfolge ich die Entwicklung aufmerksam".

Auf der eineinhalb Stunden dauernden Tour könne sie sich nun selbst von der Entwicklung überzeugen, sagt sie. Ihr Fazit: "Es hat sich vieles zum Positiven geändert." Zusammen mit ihrer Mutter kramt sie noch ein wenig in der Erinnerungskiste. "Niemand würde diese Landschaft mit Bitterfeld verbinden", sagt Petra Wildgrube als sie erfährt, dass auf der Bärenhofinsel, die als letztes Auwaldrelikt hier gilt, Seeadler leben.

Hier drosselt dann auch Kapitän Dornheim die Maschinen und greift auf der Kommandobrücke zum Fernglas. "Da drüben sieht man den Greifvogel", sagt er und zeigt auf eine Baumspitze. "Bei der letzten Fahrt in dieser Saison wird noch einmal alles geboten." Dann wird es Zeit umzukehren. Die Sechszylinder-Dieselmotoren heulen wieder auf und das 35 Meter lange Schiff stößt kraftvoll durch die wogende See in Richtung Heimathafen.

Hier beginnt eines der kompliziertesten Manöver der Rundfahrt - das seitliche Anlegen an der Kaimauer. "Wir bieten eine große Angriffsfläche für den Wind. Es ist vergleichbar mit einer Jolle, die man mit vollen Segeln in den Hafen bringen will." Also setzt Kapitän Dornheim seinen Schottelantrieb - eine Kombination aus Antrieb und Steuerung - so ein, dass sich ein Schiffspropeller vorwärts bewegt, während der andere rückwärts läuft. Damit kann er das Schiff auf der Stelle drehen und "einparken".

"Das war's also dann für diese Saison", sagt er. Der November wird nun für Wartungsarbeiten genutzt. Ab Dezember sticht die "Vineta" mit speziellen vorweihnachtlichen Fahrten wieder in See. "Schiff ahoi."