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Bitterfeld Bitterfeld: Mittelstand ist sehr unzufrieden

Von MICHAEL MAUL 30.06.2011, 16:05
Mit dem Bitterfelder Bogen wurde auf einer ehemaligen Hochkippe ein Aussichtspunkt über die neu entstandene Kultur- und Seenlandschaft der Region Bitterfeld-Wolfen geschaffen.
Mit dem Bitterfelder Bogen wurde auf einer ehemaligen Hochkippe ein Aussichtspunkt über die neu entstandene Kultur- und Seenlandschaft der Region Bitterfeld-Wolfen geschaffen. Kehrer Lizenz

BITTERFELD-WOLFEN/MZ. - Am Freitag vor genau vier Jahren wurde aus den Städten und Gemeinden Bitterfeld, Wolfen, Thalheim, Greppin und Holzweißig die große Stadt Bitterfeld-Wolfen geboren. Am 1. September 2009 kam die Gemeinde Bobbau hinzu. Darüber, wie sich die Bürger vier Jahre nach dem Zusammenschluss fühlen, wo ihrer Meinung nach noch Schwachstellen sind oder was sie als gut empfinden, sprach die MZ mit Einwohnern - darunter zahlreiche Mittelständler - der sechs Ortsteile.

Der Thalheimer und Stadtratsvorsitzende Armin Schenk findet für die derzeitige Situation einen passenden Vergleich. "Die große Stadt ist vier Jahre alt, also noch ein Kind. Und wir sind die Eltern, wir müssen es pflegen und entwickeln", so Schenk. Dass es dabei auch Probleme gebe, sei normal, doch wenn die Eltern diese Probleme erkennen und abstellen, "dann wird aus dem Kind auch ein erwachsener Mensch", sagt er.

Dass es noch viele Probleme und Ungereimtheiten gibt, beweisen eine ganze Reihe von Aussagen. Die Bobbauerin Angela Ullmann ist zum Beispiel der Meinung, dass außer den postalischen Veränderungen und dem großen Durcheinander im Telefonbuch bei ihr nicht viel von der großen Stadt zu merken sei. Uwe Klingler aus Bobbau bemängelt dagegen die Arbeit mit dem Mittelstand. Zu wenig werde in dieser Hinsicht getan, um den kleinen Unternehmen unter die Arme zu greifen, meint er. Dem kann auch Reinhard Becker, der in Bobbau ein Geschäft für Anglerbedarf betreibt, beipflichten. "Wirtschaftlich gesehen ist diese Fusion sicher der richtige Weg", so Becker, doch dabei falle das Heimatgefühl, das gerade in den kleinen Gemeinden stark ausgeprägt sei, etwas hinten runter.

Die zu Beginn der Stadt versprochenen Einsparungen in der Verwaltung sind für den Geschäftsmann ein Generationenproblem. So etwas lasse sich nicht in vier Jahren regeln. Auch Peter Bornemann und Hartmut Prucha stimmen dem zu, wobei für Prucha, der in seinem Geschäft noch eine Postfiliale betreibt, das Chaos perfekt ist. Viele Sendungen kämen zurück, weil sie nicht ordnungsgemäß zugestellt werden könnten. Das wäre für ihn auch ein Problem, dem sich die Stadt stellen sollte.

Für den Thalheimer Rex Trum stellt sich die Situation etwas anders dar. Er fühlt sich, wie viele andere Thalheimer auch, durch die Fusion und die damit verbundenen finanziellen Einschränkungen in seinem Ortsteil benachteiligt. Steffen Berger sieht die derzeitigen Probleme mit Solar Valley als schwerwiegend an. Wenn man früher darauf bauen konnte, dass die Steuereinnahmen der Solarfirmen der Gemeinde zugute kamen, sehe es heute wesentlich anders aus. Und das habe generelle Auswirkungen auf den gesamten Stadthaushalt, denkt Berger weiter.

Richtig gute Effekte durch die Fusion seien aber bei ihm noch nicht erkennbar. Problematischer sieht es beim Gastwirt Gerd Runschke in Thalheim aus. Kamen früher noch mal ein paar Leute aus den Solarfirmen in seine kleine Gastwirtschaft, so wisse er heute manchmal nicht, wie er den nächsten Einkauf händeln soll. Sollten sich die Steuer-Hebesätze noch ändern, wisse er nicht mehr, wie es weiter gehen soll, sagt der Chef des Thalheimer Ein-Mann-Betriebes.

Auch in der Greppiner Geschäftswelt gibt es Zustimmung und Ablehnung. Fleischermeister Klaus-Dieter Kohlmann, der sich schon immer viel für seine Gemeinde engagiert hat, ist der Meinung, dass man auf keinen Fall den Kopf in den Sand stecken solle. Nur mit Optimismus könne man noch bestehende Probleme aus der Welt schaffen. Damit meint er auch die Zusammenarbeit der einzelnen Ortsteile und eine bessere und verantwortlichere Arbeit in der Verwaltung. Administratives Denken und Handeln führe zu nichts, so Kohlmann. Nur wenn jeder seiner Verantwortung gerecht werde, könne es ein vorwärts geben.

"Es ist schön, dass die Verwaltung jetzt in einem Haus sitzt, aber sie muss auch noch an einem Strang ziehen", meint ein anderer Greppiner Firmenchef. Dem kann auch Dietmar Rabe aus Greppin nur zustimmen. Für ihn fehlt in der Ortschaft ein Ansprechpartner, der auch etwas entscheiden dürfe, so Rabe. Carmen Brode hingegen bemängelt das Fehlen der Wirtschaftsförderung. Es werde oft nur kassiert, sagt sie und passieren tue nichts. Für Melanie Miertsch und Jürgen Schünemann sind die Probleme ähnlich gelagert wie in der Bobbauer Postfiliale. In ihrer Versicherungsagentur kämen viele Schreiben wieder zurück, weil sich die Post nicht herausfindet. Die zwei Wolfnerinnen Marion Anollek und Ingrid Oxner sehen in der kulturellen Vielfalt ein Problem. Wenn schon nicht viel Geld da sei, sollte man doch mehrere Veranstaltungen zu einem gemeinsamen Fest zusammenfassen. Dabei sollte die Wolfener Fuhneaue noch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden, finden die beiden Frauen. Kay-Uwe Ziegler, der in Bitterfeld zwei Geschäfte betreibt, sieht in der Vernachlässigung der Innenstadt eine Konzept- und Hilflosigkeit. Um das zu ändern, müssen man auch mal bereit sein, unkonventionelle Wege zu gehen, sagt Ziegler. Als regelrecht "tot" empfindet die Geschäftsfrau Silvia Werner die Bitterfelder Innenstadt. Wenn jemand zu Besuch komme, könnte man dem die Goitzsche zeigen, sagt sie. Aber wehe der Gast fragt nach der "City".

Andrea Nitze und Gabriele Wernecke sind der gleichen Meinung, fürchten aber noch mehr Probleme durch die kommenden Baumaßnahmen auf der Bismarckstraße und an Stadt Wien.

Auch Rüdiger Busse aus Bitterfeld kann derzeit noch keine positiven Auswirkungen der Fusion erkennen. Schlimmer sehen es noch die beiden Holzweißiger Geschäftsfrauen Hannelore Lange und Andrea Brosig. Sie fühlen sich mit ihren Geschäften zu weit ab vom Schuss. "Hier kümmert sich keiner um neue Ansiedlungen", sagt Hannelore Lange und blickt dabei auf die leeren Geschäfte am ehemaligen Einkaufszentrum. Die Wolfener Geschäftsleute Erich Högn, Conny Rasenberger und Christian Seiler sehen hingegen in der derzeitigen Situation keine Probleme. "Es funktioniert", sagt Seiler.