Bitterfeld Bitterfeld: Lange Brücke mit Braunkohle
BITTERFELD/MZ. - Nein, es habe ihn nie gereizt, in die Politik zu gehen. Das sei kein beneidenswertes Leben, antwortete Mibrag-Chef Joachim Geisler MZ-Chefredakteur Hans-Jürgen Greye, der das 32. Bitterfelder Unternehmergespräch am Mittwoch in der Sparkasse in der Lindenstraße moderierte.
Geisler war, ist und bleibt Techniker, ein Mann des Bergbaus und der Kohle. Auch wenn die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft zu klein sei, dass Angela Merkel das mitteldeutsche Unternehmen in Sachen Energiepolitik mit an ihren Tisch holt, sei doch Lobbyarbeit zu leisten für Unterstützung aus der Region. Wie am Mittwoch in Bitterfeld. Da reihte Geisler Zahlen und Fakten, Kostenvergleiche und Entwicklungsprognosen aneinander, um zu verdeutlichen, dass nach dem Atomausstieg die Stromerzeugung mit Braunkohle noch mehrere Jahrzehnte als Brückentechnologie gebraucht wird. Versorgungssicherheit, bezahlbarer Strom und Wirtschaftswachstum seien nicht anders zu gewährleisten. Doch die Braunkohle gilt als Umweltverpester und Verhinderer der erneuerbaren Energien. Solche Image- und Akzeptanzprobleme kennt der Mibrag-Chef aus seinen "Steinkohlezeiten" im Ruhrgebiet und Saarland und weiß damit umzugehen. So ist er überzeugt, dass das neue Braunkohlekraftwerk in Profen 2020 ans Netz und 2030 die erste Kohle aus dem neuaufgeschlossenen Tagebau bei Lützen kommen wird, auch wenn es dabei "nicht ohne Umsiedlungen gehen wird". Dafür sollen Gespräche und Vereinbarungen mit Betroffenen das Feld vorbereiten.
Auch das, was nach dem Bergbau kommt, müssen Unternehmen wie die Mibrag im Blick behalten. Die Renaturierung an der Goitzsche und in anderen ehemaligen Abbaugebieten zeige, "Braunkohle führt nicht zum Kahlschlag", so Geisler. Es sei aber nicht möglich, alle Flächen zu Seenlandschaften und Golfplätzen umzugestalten. Der Zustrom von Touristen, Seglern und Golfspielern habe Grenzen. "Die Seen sind nur eine Facette, die Mibrag übergibt überwiegend Ackerland", berichtete der Vorsitzende der Geschäftsführung.
Mit welchen Strategien dem ansteigenden Grundwasserspiegel begegnet werden kann? Auch auf diese Frage hatte Geisler eine klare Antwort: Nasse Keller lassen sich nur mit einer wasserdichten Wanne oder Brunnengalerien verhindern, "oder sie überlassen die Bürger ihrem Schicksal". Bauwilligen so kompetente Auskunft zu geben, was sie erwartet. Trotz dieser heiklen Themen kann die Mibrag in der Region mit viel Akzeptanz rechnen, ist die Braunkohlengesellschaft mit 2 500 Mitarbeitern, darunter 150 Auszubildende, ein großer Arbeitgeber. Doch auch er muss sich Sorgen um den Nachwuchs machen. Für hochattraktive Berufe wie den des Energieanlagenelektronikers habe es einst 100 Bewerber gegeben, jetzt seien es gerade noch 15 gewesen, berichtete Geisler. Junge Leute versuche man deshalb mit einer Ausbildungsvergütung, die mit der in der Automobil- oder chemischen Industrie mithalten kann, zu gewinnen.
Mit Projekten in Kindergärten und Schulen soll bei Mädchen und Jungen außerdem frühzeitig Technikinteresse geweckt werden. Und man habe erkannt, dass die schulische Leistung nicht immer ein Garant dafür ist, dass aus dem jungen Menschen ein hervorragender Mitarbeiter wird. "Auch Hauptschüler sind bei uns ausgezeichnete Handwerker, Maschinisten und Bergleute geworden." Zur betrieblichen Ausbildung gehören, wenn es notwendig ist, deshalb sogar Nachhilfestunden in Deutsch und Mathematik.