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Bitterfeld Bitterfeld: Das Filmmädchen Carmen

Von Christine Krüger 02.12.2011, 18:51

Bitterfeld/MZ. - Tilla ist der Klassen-King . Sie ist robust und rabiat und sagen lässt sie sich von niemandem etwas. Dann kommt Anne in die Klasse. Sie ist zierlich und schüchtern und eben ganz anders als Tilla. Der Neuen muss Tilla erstmal klar machen, wer hier das Sagen hat. "In der Schule macht sie den dicken Larry und zu Hause hat sie’s schwer. Sie wächst ohne Mutter auf und muss sich gegen die beiden älteren Brüder durchsetzen, die sie ständig drangsalieren", erklärt Carmen Seehafer. Sie hat als Kind die Tilla im Defa-Film "Die dicke Tilla" gespielt.

1981 kam er in die Kinos und nach 30 Jahren läuft er am Mittwoch um 18.30 Uhr im Filmmuseum in der Reihe "Der weibliche Blick der Defa". Der Streifen ist ein Plädoyer für Toleranz, eine unaufdringliche Aufforderung, über sich und andere nachzudenken und mal selbst wieder zu der alten Erkenntnis zu gelangen, dass jedes Verhalten Ursachen hat.

Plakate, die den Film ankündigen, hat Carmen Seehafer zufällig in Prag gesehen. "Die Sowjetunion hat ihn nicht abgenommen, weil: solche Konflikte, wie sie der Film zeigt, gibt es nicht... Ich habe es als Zehnjährige gar nicht so mitbekommen: Offenbar thematisierte er schon ein bisschen mehr als man ertragen konnte."

Carmen Seehafer - ein Filmstar? Freundlich aber energisch wehrt sie ab, sowas will die Pfarrerin der evangelisch freikirchlichen Gemeinde Bitterfeld gar nicht hören. Doch als sie damals von einem Team der Defa für diese Hauptrolle ausgewählt wurde, war das schon eine spannende Sache. Obwohl, meint sie, so ungewöhnlich sei das für ein Potsdamer Kind nun auch wieder nicht gewesen. "Die Defa war ja gleich nebenan und sie haben öfter mal Kinderdarsteller gesucht. Ich kenne einige." Eine nächste Rolle, sagt sie, habe sie nicht gewollt. Die Nachfrage, die drei Jahre später kam, hat sie mit nein beantwortet. "Ich war 13. Das ist ein Alter, da will man das vielleicht gerade nicht. Es ist ja auch merkwürdig, sich so agieren zu sehen", stellt sie fest. "Nö, die Idee, Schauspielerin zu werden, ist mir nie gekommen." Andere aus dem Kinder-Team wie Anne (Jana Matukat) oder auch ihr Film-Freund Knutschi (Matthias Manz) stehen heute auf der Bühne. Per Internet ist sie da ständig auf dem neuesten Stand der Dinge. Übrigens sind Carmen und Jana für die Zeit der Filmaufnahmen und eine Weile darüber hinaus Freundinnen gewesen. "Privat haben wir uns amüsiert wie Bolle", blickt sie zurück.

Carmen Seehafer hat das Kinderbuch von Rosel Klein, das als Filmvorlage diente, und das alte Drehbuch herausgeholt, das Fotoalbum, das ihr das Team um Regisseur Werner Bergmann zum Geburtstag angefertigt hat, eine Disposition eines Drehtages. Alles Erinnerungen. 200 Kinder aus ihrer Schule sind damals gecastet worden. Gecastet - bei dem Wort muss sie lachen: "Das ist ja meilenweit entfernt von dem, was heute veranstaltet wird." Die Defa-Leute haben die Kinder auf dem Schulhof beobachtet, mit ihnen gesprochen, ihnen ganz kleine Rollen gegeben, um zu sehen, ob sie geeignet sind. "Für mich war es überraschend, man rechnet ja nicht damit, dass einem sowas passiert", meint sie. Während der Sommerferien wurde der Film gedreht, im September synchronisiert. Im Herbst lief er über die Leinwand.

"Für uns Kinder war das alles wie ein spannendes Spiel. Man hatte ganz bescheidene Mittel zum Beispiel für den Trick und da war es total interessant, was da passierte. Fast alles wurde in Kulissen gedreht", sagt sie und zeigt auf ein Foto, das den Blick aus dem Fenster eines Neubaublocks zeigt. "Die Landschaft, die Häuser - alles Kulisse, wie eine riesige Ansichtskarte." Eigentlich aber, gibt sie zu, wäre sie damals gern die Anne gewesen, dieses kreative Mädchen, die ist wie sie. "Aber offensichtlich habe ich äußerlich zu der anderen Rolle gepasst", meint sie lächelnd. "Es ist schon eine Herausforderung zu spielen, was man nicht ist. Aber ehrlich: Die böse Rolle macht schon Spaß." Allerdings musste sie dafür auch manches einstecken. Eine Ohrfeige vom Filmvater zum Beispiel. "Eine echte", sagt sie lachend und hebt den Finger. "Es musste ja echt aussehen. Naja, da muss man schon bisschen investieren."

40 Mark gab es für jeden Drehtag. Damals hat sie sich Wellensittich Moritz gekauft. "Ein blauer. Das war mein sehnlicher Wunsch."