Bestürzung über frühen Tod Bestürzung über frühen Tod: Eine ganze Region trauert um Heidrun Heidecke

Bitterfeld - Die Region trauert um Heidrun Heidecke. Die Nachricht von ihrem Tod hat bei Weggefährten tiefe Trauer und Bestürzung ausgelöst. Die Umweltschützerin und frühere Ministerin in Sachsen-Anhalt war am Freitag im Alter von nur 60 Jahren in ihrer Wohnung in Bitterfeld gestorben. Plötzlich und unerwartet.
Jene, die sie auf ihrem Weg begleitet haben, zeigen sich tief berührt und verbeugen sich vor ihr als Persönlichkeit und vor ihrer Arbeit. Heidecke hatte nicht nur einen ungewöhnlichen Weg als Grünen-Politikerin. Sie gehörte zu den Gründern der Ost-Grünen, war die erste grüne Ministerin in Sachsen-Anhalt. Sie hat auch entscheidend dazu beigetragen, dass sich Bitterfeld gewandelt hat, dass das Image der dreckigsten Stadt Europas langsam abfiel. Mit dem BUND-Projekt Goitzsche-Wildnis kehrte die Natur auf die einstigen Bergbauflächen zurück.
Ohne Heideckes Stehvermögen wäre diese Chance wohl vertan worden. Der Kampf gegen Widerstände hat sich gelohnt, denn ohne den konsequenten Schutz dieser Flächen vor Eingriffen des Menschen würde es die nahezu unberührten Areale nicht geben. Entstanden ist ein kleines Paradies für Tiere und Pflanzen. Das Projekt war für Heidecke eine Lebensaufgabe geworden. Nie wurden sie und ihre Mitstreiter müde, dieses Kleinod in die Welt zu tragen, Begeisterung zu wecken, Achtung vor der Natur weiterzugeben.
Heidrun Heidecke wurde 1954 in Magdeburg geboren, sie studierte an der Martin-Luther-Universität Halle Pädagogik. 2004 promovierte sie an der Universität Kassel über Planungsprozesse in Bergbaufolgelandschaften.
Von 1990 bis 1994 war die Grünen-Politikerin Mitglied des Landtages Sachsen-Anhalt. Dort war sie bis 1994 parlamentarische Geschäftsführerin und umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
In der von den Linken tolerierten rot-grünen Regierung mit Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) war Heidecke von 1994 bis 1998 Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung. Gleichzeitig war sie Stellvertreterin des Ministerpräsidenten.
Schon als Ministerin entdeckte sie ihr Herz für die Goitzsche. Mit anderen engagierten Naturschützern baute das BUND-Mitglied das Projekt Goitzsche-Wildnis auf. Dort hat die Natur auf 1300 Hektar freien Lauf. 2012 erhielt sie für das Projekt den Deutschen Naturschutzpreis. Der Wettbewerb wurde unter anderem vom Bundesamt für Naturschutz ins Leben gerufen.
Ein Verdienst, wofür ihr auch Bitterfeld-Wolfens Oberbürgermeisterin Petra Wust (parteilos) dankt: „Ihr Tod kam viel zu früh. Es ist unfassbar für mich. Ich bin schockiert. Die Stadt verneigt sich vor dem Werk dieser mutigen und engagierten Frau.“ Heidecke sei ein Glücksfall gewesen. „Sie war die beste Botschafterin in Sachen Umweltbewusstsein, die es gibt. Wir alle waren fasziniert von dem Wissensschatz, dem Optimismus, der Ausstrahlung und dem Tatendrang dieser ganz besonderen Frau. Sie verstand es, andere in ihren Bann zu ziehen und zu begeistern - vor allem Kinder“, so Wust.
„Oftmals kämpferisch und kritisch“
„Mit Ehrfurcht, Stolz und Freude betrachten wir ihr Werk und damit unser gemeinsames Anliegen: die Goitzsche im Einklang mit der Natur und den Bedürfnissen der Menschen zu entwickeln.“ In vielen Projekten habe Heidecke „Bitterfeld ein Stück weit grüner, ökologischer und damit liebenswerter“ gemacht.
Anhalt-Bitterfels Landrat Uwe Schulze (CDU), der sie in den 90er Jahren im Landtag kennengelernt hatte, zeigte sich betroffen. „Mit großem Bedauern musste ich den plötzlichen und unerwarteten Tod von Heidrun Heidecke zur Kenntnis nehmen.“ In ihrer gemeinsamen Zeit im Landtag seien sie sich „oftmals kämpferisch und kritisch“ begegnet. „Unser Verhältnis hat sich in ihrer Tätigkeit für die Goitzsche zu einem vertrauensvollen Miteinander gewandelt.“
Dem Vorsitzenden des BUND in Sachsen-Anhalt fällt es schwer, die richtigen Worte zu finden. Er kannte Heidecke seit 20 Jahren.
„Sie hinterlässt eine große Lücke. Das empfinden wir alle als sehr schmerzhaft“, erklärte Ralf Meyer gestern. „Sie wird uns sehr fehlen.“ Er habe immer ihre große Bandbreite an Themen und Projekten bewundert. „Sie war fachkundig bei großen umweltpolitischen Themen. Aber auch bei unseren vielen Projekten in Sachsen-Anhalt, wenn Fragen zu klären waren. Sie hat so viel in der Umweltbildung getan, Workshops, Camps organisiert ... Ich kenne keinen anderen Naturschützer, der das alles konnte und sich so engagiert hat.“
Dabei habe Heidecke nie den Blick für Details verloren. „Sie hat auch mal schnell den Bindfaden gekauft, wenn der gebraucht wurde.“ Meyer schätzte sie als „ehrlich und offen, hilfsbereit, ohne im Vordergrund stehen zu wollen. Ihr ging es um die Sache - und das mit Leib und Seele.“
Goitzsche-Wildnis als Vermächtnis
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel, dessen Wahlkreis auch Bitterfeld umfasst, erklärte: „Sie ist viel zu früh gegangen. In Erinnerung bleiben wird aber das, was sie für die Region und Bitterfeld bewirkt hat.“ Mit der Goitzsche-Wildnis habe Heidrun Heidecke ein Vermächtnis hinterlassen. „Sie hat eine Landschaft, die derart von Menschen geschunden worden ist und die Wunden davongetragen hat, verwandelt. Sie hat Wunden schließen können, ohne sie vergessen zu machen. Daran können die Menschen denken, wenn sie um den See laufen.“
Armin Schenk, Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises Anhalt-Bitterfeld und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Bitterfeld-Wolfen, schrieb auf Facebook: „Sie war über viele Jahre eine engagierte Persönlichkeit in der Region, vor der man sich nur verbeugen kann. In Achtung und Trauer für Heidrun Heidecke. Mein Beileid ihrer Familie.“ Die Bundestagsabgeordnete und Heideckes politische Weggefährtin Steffi Lemke twitterte: „Eine Kämpfernatur ist gegangen. Danke für so vieles!“
Und Wulf Gallert, der Linke-Fraktionschef im Landtag Sachsen-Anhalts erklärte, Heidecke sei die streitbarste Umweltministerin, die Sachsen-Anhalt je gehabt habe.

