Berufsbildende Schulen Anhalt-Bitterfeld Berufsbildende Schulen Anhalt-Bitterfeld: Leiter Rainer Woischnik hat seinen Traumberuf gefunden

Bitterfeld/MZ - Matthias zieht sich die Strickmütze vom Kopf, als Rainer Woischnik den Klassenraum der künftigen Metaller im Berufsschulzentrum betritt. Mütze und Woischnik - das geht gar nicht. Der Schulleiter muss lächeln. Die Berufsschüler auch.
Sie mögen ihn, das liegt irgendwie in der Luft. Und das sagen sie auch. „Weil er locker ist. Ich hab’ gern Unterricht bei ihm“, meint Sascha Schwerdfeger. Und Daniel Zink kann sich den Running Gag nicht verkneifen: „Weil er BVB-Fan ist.“ Inmitten Hunderter Bayern-Fans, wohlgemerkt.
Auch Rainer Woischnik steht gern vor der Klasse. Weil er gern Lehrer ist - so einer richtig mit vollem Herzen -, und weil er das immer schon werden wollte: Berufsschullehrer. Doch ist die Anzahl der Stunden, in denen er das noch ist, ganz schön gesunken, seit er Leiter der Berufsbildenden Schulen (BBS) Anhalt-Bitterfeld ist.
Zwei Tage in der Woche in Köthen, drei Tage in Bitterfeld
Knapp über 3 000 Schüler und 140 Lehrer gehören dazu an den beiden Standorten Bitterfeld und Köthen. Da ist sein Schreibtisch hier genauso voll wie dort. Rainer Woischnik aus Delitzsch pendelt. Zwei Tage in der Woche ist er in Köthen, drei Tage in Bitterfeld. Er kriegt das hin und hat immer noch gute Laune dabei. „Ach, das ist eine Organisationsfrage“, sagt er da nur. Und dass er ein klasse Team um sich hat. Die wenigen Stunden, die er im Fach Metalltechnik noch vor den Azubis steht, die genießt er. Die Schüler im Jahr 2014 sind so selbstbewusst, das findet er gut.
Im Jahr 2010 wurde Rainer Woischnik als einer von drei Bewerbern zum Leiter der Berufsbildenden Schulen Anhalt-Bitterfeld gewählt. Die Entscheidung fiel einstimmig. Bis dahin war Woischnik Leiter des Berufsschulzentrums „August von Parseval“ Bitterfeld-Wolfen. Das wurde 2000 in Betrieb genommen, bis dato gab es in Bitterfeld und Wolfen vier Standorte für die Berufsausbildung.
Mehr als 3.000 Schüler und 140 Lehrer gehören zu den beiden Standorten der Berufsbildenden Schulen in Bitterfeld und Köthen. Ausgebildet wird in insgesamt 79 Berufen. 94 Prozent aller Schüler verlassen die Berufsbildungseinrichtung mit einem Abschlusszeugnis, sechs Prozent von ihnen gehen mit einem Abgangszeugnis.
Unter dem Dach der Berufsbildenden Schulen Anhalt-Bitterfeld befinden sich die Fachoberschule, die Berufsfachschule, das Berufsgrundbildungsjahr sowie das Berufsvorbereitungsjahr. 60 Prozent der Jugendlichen, die das Berufsvorbereitungsjahr belegen, verlassen die Schule mit dem Hauptschulabschluss. „Eine Riesenleistung der Lehrer“ sagt Rainer Woischnik dazu.
In der beruflichen Bildung ist er seit 1979. Das Herz dafür geöffnet hat ihm sein Ausbilder, damals, im Braunkohlenkombinat, als der Jugendliche aus Roitzsch in der Werkstatt I in Bitterfeld Zerspaner lernte. Dort war Heinz Kluge. Der wusste, wie man die Jungs kriegt, der legte Wert auf exaktes, sauberes Arbeiten. Einer, der auch sonst die Schüler mitreißen konnte. „Ein toller Ausbilder“, sagt Rainer Woischnik. Da sei ihm mit 16 klar gewesen: „Das will ich auch. Ich will Berufsschullehrer werden.“
Er war gerade mal 23 Jahre alt, als er im BKK seinen ersten Lehrlingen gegenüberstand. Die Entscheidung, sagt er, habe er nie bereut. Er hat sie sogar noch mit einem Studium an der Technischen Universität (TU) Dresden gekrönt.
Was ist es, das den Reiz dieses Berufes ausmacht? Für die Antwort muss er nicht lange überlegen: Es sei die Zusammenarbeit mit den jungen Leuten, die gerade ins Berufsleben starten. Denen will er ein Partner sein. Für die kämpft er - und bietet anderen die Stirn, die ihr Urteil über „die Jugend von heute“ gefällt haben als unmotiviert und halbgebildet. Da steht er fast einsam in der Welt der Wirtschaft, das weiß er. Und da kann der sonst so entspannte Mann ärgerlich werden. „Schlaue Reden wie beim Fußball“, schimpft er.
Junge Leute entwickeln sich mit der Arbeit
Kaum einer wisse was über eine Berufsschule, über die wahnsinnig gestiegenen Anforderungen - „Wir reparieren heute keine Trabis mehr.“ - , über das irre Tempo des Informationszuwachses, über Azubis, die lieber arbeiten als lernen. „Ich denke, man hängt noch der polytechnischen Bildung nach, wo alle gewisse Grundkenntnisse hatten. Ja, das fehlt. Aber daran hängt’s nicht. Ich kann es nicht mehr hören: Es fehlten Fachkräfte. Und ja, einen Eins-zu-eins-Ersatz wird man nicht einfach so finden. Die Firmen müssen ihren Nachwuchs heranziehen. Und sie müssen sich fragen: Inwieweit bin ich bereit, auch mal einen Vierer-Schüler zu nehmen? Ich habe es erlebt, dass manche in der Praxis top sind aber in der Theorie nicht.“ Das habe es - „Hand aufs Herz“ - immer schon gegeben. Die jungen Leute entwickelten sich mit der Arbeit. Nur: Früher habe man nicht so einen Hype darum gemacht. „Deshalb ärgert mich das Gerede so.“
In der Metaller-Klasse ist der Unterricht weitergegangen. Allgemeine CNC-Technik steht auf dem Stundenplan. Und es sieht hier nicht so aus, als würde sich auch nur einer langweilen. Abiturienten lernen zusammen mit Realschülern und Schülern, die gerade die Hauptschule geschafft haben. Der Stärkere soll dem Schwächeren helfen. „Das muss man hinkriegen“, sagt der Lehrer Woischnik. Überheblichkeit komme ihm hier nicht unter. Und das Konzept geht in den kleinen Klassenverbänden auf.
„Würde ich meine eigenen Kinder zu mir schicken?“
„Genau das ist für mich Inklusion. Als Lehrer sollte man sich immer auch die Frage stellen: Würde ich meine eigenen Kinder zu mir schicken?“ Bei einem sehr, sehr großen Teil der Lehrer hier heißt die Antwort „Ja“, sagt der Schulleiter. Und ein wissendes Lächeln begleitet den Satz: „Die Lehrer, die konsequent sind, sind die, an die man sich erinnert.“ Dafür braucht es auch ein Klima, das das fördert, das dem Lehrer Rückenhalt gibt und das ihn nicht verschleißt. Das auf Kommunikation und Gemeinsamkeit aufbaut. Das zu schaffen, ist sein Part. Darauf hat er sich eingelassen, als er sich zur Wahl für das Amt zum Schulleiter stellte. Das macht nicht immer Freude, gibt er zu, denn das ist eine Mordsaufgabe und ohne Erfahrung und ein ehrliches Team undenkbar. Woischnik kann das: zuhören, vertrauen, entscheiden. Und dann hat er noch einen Joker: „Man darf sich selber nicht so wichtig nehmen. Die Arbeit machen die Lehrer.“
„Geortet“, wie er es nennt, wird er zu Hause. Von seiner Frau, die Ärztin ist, seiner ganzen, großen Familie. Von seinen Freunden, mit denen er regelmäßig Fußball spielt, und den alten Studienkumpels, mit denen er sich noch immer trifft. Er ist viel unterwegs. „Ich weiß, was in anderen Berufen gefordert wird, unter welchem Druck Leute stehen. Da kommen die eigenen Probleme auf Normalmaß. Und das ist gut so“, sagt er da nur.