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Berufen für ein Leben mit Gott

Von Christine Krüger 11.03.2005, 17:14

Bitterfeld/MZ. - Schwester Gundula ist viele Jahre Oberin gewesen. Bis 2001 hier, in Bitterfeld. Jetzt ist sie im Ruhestand und hat Zeit, sich um solche Dinge zu kümmern. Die 72-Jährige ist eine aufgeschlossene Frau, eine, die aus ihrem Erleben so viel und so gut erzählen kann, dass andere sich daran ihr Herz erwärmen können. Weil das, was sie berichtet, mit Herzenswärme, mit Lebensmut und Lebensfreude zu tun hat.

Als Schwester Gundula 1932 in Magdeburg geboren wird, geben die Eltern ihr den Namen Katharina und sie wächst auf in einer Familie, in der Glaube und Gott keine Rolle spielen. Mit der Kinderlandverschickung im Zweiten Weltkrieg, eine Massen-Evakuierung von Kindern aus den Großstädten, beginnt für sie ein neues Kapitel im Leben. Bei den Gasteltern, die sie für eineinhalb Jahre aufnehmen, wird sie evangelisch getauft, später konfirmiert. "In Magdeburg hatte ich eine katholische Freundin - Gertraud. Wir haben Tanzstunde zusammen gemacht und alles Mögliche, gelacht, gealbert. Gestritten haben wir uns nur wegen des Glaubens", blickt Schwester Gundula zurück. "Dann nahm sie mich mal mit zur Fronleichnamsfeier. Da habe ich gar nichts verstanden und dachte noch: ,Nö, das ist nichts für dich'."

Irgendwann gibt ihr Gertrud ein Buch - eine Einführung in den katholischen Glauben. Schwester Gundula lacht und ihre Augen bekommen einen spitzbübischen Blick: "Das Buch würde ja heute wahrscheinlich keinen vom Hocker reißen", meint sie. Wohl aber damals das junge Mädchen.

Sie nimmt den katholischen Glauben an, da ist sie 15. "Ich hab das sehr ernst genommen. Großen Kummer hatte ich mit meiner Mutter. Sie wollte das nicht."

Sie lernt Buchhalterin und arbeitet bei Daimler-Benz. Irgendwie aber ist in ihr der Gedanke, Schwester zu werden. Mit 19 Jahren, sagt sie, habe sie sicher um ihre Berufung gewusst. Sie setzt sich in den Zug und fährt nach Friedrichroda. Zu den Schönstätter Marienschwestern. Das Mutterhaus der Schwestern steht in Schönstatt bei Koblenz. Doch 1951 ist die Grenze zu, die Schwesterngemeinschaft nimmt die jungen Frauen aus dem Osten in ihr Provinzhaus in Thüringen auf.

Bei der Einkleidung erhält sie einen neuen Namen. "Ich wollte gern Gundula heißen - nach einer Romanheldin, die einen Spion entlarvt hat." Darüber lacht sie heute. "Das fand ich damals so gut. Heute weiß ich, dass die heilige Gundula eine Mailänder Märtyrerin ist, die für ihren Glauben starb."

Zehn junge Schwestern sind sie, sie kommen aus den verschiedensten Berufen. Die Welt, die sie kennen, bleibt vor den Toren. Sie werden Novizinnen, lernen beten, arbeiten, sich bescheiden. Es ist eine kleine Schwestern-Familie, in der sie leben.

Nach einigen Monaten trägt Schwester Gundula den Ring und die Tracht-Symbol dafür, dass sie nun ausschließlich Gott gehört. Ihre Familie ist ab jetzt die Gemeinschaft, einmal im Jahr kann sie ihre Ferien daheim verbringen. "Ach", sie schüttelt den Kopf, "es gibt strengere Orden. Wir haben auch keine Gelübde sondern Versprechen. Die aber ebenso binden." Das heißt für sie: Etwas beginnen, bedeutet auch, etwas durchhalten, es durchleben. "Wir sind nicht auf der Erde, um es immer gut zu haben", stellt sie klar.

In diesem Licht sieht sie auch den Zölibat. "Ja", sagt sie und guckt nachdenklich durch die goldgeränderte Brille, "der ist wohl immer zeitgemäß. Man kann doch nicht etwas abschaffen, nur weil es Menschen gibt, die so etwas nicht leben können."

50 Jahre lebt sie nach diesen Regeln. "Das war für mich immer ein klarer Gottesbeweis, dass er es fertig gebracht hat, aus mir eine Schwester zu machen. Eine echte Berufung kann nur von Gott kommen."

Ihre erste Stelle tritt die 21-Jährige in Dingelstädt an - als Seelsorgehelferin. Alle paar Jahre wird sie versetzt in eine andere Stadt, das ist so üblich in der Gemeinschaft. Sie lernt, mit Kindern zu arbeiten, mit Erwachsenen, mit Bedürftigen, mit Kranken. Sie lernt zuzuhören, hinter den Worten Lebensgeschichten zu erahnen. Und sie spielt die Orgel in den Gottesdiensten, leitet den Chor und singt leidenschaftlich gern. In Wittenberg studiert sie Theologie, da ist sie schon Oberin.

Schwester Gundula stellt einen kleinen Pappkarton auf den Tisch. Gesammelte Geschichte. Sie sucht ein ganz bestimmtes Foto. Hier. Sie zeigt es stolz und es ist wirklich ein ganz besonderes. Es zeigt sie mit dem Papst, beide lächeln sie in die Kamera. Das ist 1983. Sie ist eine der ganz wenigen, die nach Rom zum Treffen fahren durften. Und dann auch noch das Glück, mit dem Papst fotografiert zu werden!

Andere Bilder zeigen die Schwester in Zivil. "In der DDR", erklärt sie, "war es bei bestimmten Berufsgruppen eine Vorsichtsmaßnahme. Im Arbeiter- und Bauernstaat war es nicht gern gelitten, wenn jemand eine katholische Schwester gar daheim empfing. Das hätte Nachteile für die ganze Familie geben können."

Beim Kramen im Karton stößt sie auf Fotos von Kaliningrad. Ein halbes Jahr lang ist sie dort. Schönstätter Marienschwestern helfen mit in einer Suppenküche. Sie wollen mit dem litauischen Pfarrer eine katholische Gemeinde aufbauen. Einen ganzen Tag ist Schwester Gundula manchmal unterwegs, um in entlegenen Orten Gottesdienst zu halten. "Die Leute dort sind ganz anders als die Deutschen", blickt sie zurück. "Sie warten geduldig, bis der Pfarrer kommt - auch wenn es sehr lange dauert. Ach, ich wäre gern dort geblieben..." Auch die Leute sind traurig, als sie abfährt.

Bis 2004 ist Schwester Gundula Oberin in Bitterfeld. Dann macht ihr Krankheit zu schaffen. Bei den Schwestern hat sie ihr Zuhause. "Hier bin ich gut aufgehoben. Und nie allein", das weiß sie. "Und wenn es einmal nicht mehr geht, nehmen mich die Schwestern im Provinzhaus in Friedrichroda auf."