1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Batterien statt Solarglas: Batterien statt Solarglas: Firma kauft Sandersdorf-Brehna die Vetro-Solar-Halle ab

Batterien statt Solarglas Batterien statt Solarglas: Firma kauft Sandersdorf-Brehna die Vetro-Solar-Halle ab

Von Detmar Oppenkowski 04.06.2019, 05:00
Die frühere Halle von Vetro Solar in Sandersdorf hat die Kommune an die FEV Dauerlaufprüfzentrum GmbH verkauft. Das Unternehmen will in dem Gebäude das größte zusammenhängende Zentrum für Batterieentwicklung in der Elektromobilität etablieren.
Die frühere Halle von Vetro Solar in Sandersdorf hat die Kommune an die FEV Dauerlaufprüfzentrum GmbH verkauft. Das Unternehmen will in dem Gebäude das größte zusammenhängende Zentrum für Batterieentwicklung in der Elektromobilität etablieren. André Kehrer

Sandersdorf - Die Stadt Sandersdorf-Brehna ist ein Sorgenkind los: Nachdem lange unklar war, wie es mit der früheren Produktionshalle der Pleite gegangenen Vetro Solar GmbH in Sandersdorf weitergehen soll, hat sich mit der FEV Dauerlaufprüfzentrum GmbH ein Käufer für die kommunale Immobilie an der B183 gefunden. Das Unternehmen ist bereits am Standort in Brehna mit 230 Mitarbeitern vertreten und prüft dort Verbrennungs- und Elektromotoren für die Autoindustrie.

Nach Aussagen von Geschäftsführer Hans-Dieter Sonntag will FEV in Sandersdorf „55 bis 60 Millionen Euro“ in die Umrüstung der Halle investieren und das „größte zusammenhängende Batterieentwicklungszentrum für Elektromobilität“ errichten. Bereits im Herbst dieses Jahres soll ein Testlauf starten, im ersten Quartal 2020 soll dann der offizielle Start mit 80 neuen Mitarbeitern folgen. Drei Rahmenverträge mit deutschen Autoherstellern seien schon geschlossen.

Auch Sandersdorf-Brehnas Bürgermeister Andy Grabner (CDU) begrüßt die Entscheidung

Dass Sandersdorf schlussendlich den Zuschlag bekommen hat, hänge mit der vorhandenen Immobilie und verkehrsgünstigen Lage zusammen, sagt Sonntag auf die Frage, warum man sich für die Ansiedlung vor Ort entschieden habe. Seinen Aussagen zufolge hätten auch andere Standorte - einer davon in Ungarn - zur Auswahl gestanden. „Wir hoffen nun, dass wir hier abermals Vorreiter in der Entwicklung von Mobilität sein werden.“

Auch Sandersdorf-Brehnas Bürgermeister Andy Grabner (CDU) begrüßt die Entscheidung. „Einerseits haben wir einen strategischen und wichtigen Partner, andererseits gibt es nun eine nachhaltige Entwicklung der Halle.“ Die weitere Zukunft des Objektes hatte lange in den Sternen gestanden.

Die Kommune hatte 2010 nach eigenen Angaben knapp zwölf Millionen Euro in den Bau des mehr als 10.000 Quadratmeter großen Gebäudes investiert, um Vetro Solar - einen Solarglashersteller für die Photovoltaikunternehmen im benachbarten Solar Valley - anzusiedeln. Die Stadt nahm hierfür einen hohen Kredit auf. Das Land stellte weitere Mittel zur Verfügung.

Die Immobilie in Sandersdorf wechselt für 7,4 Millionen Euro den Besitzer

Per Mietkaufvertrag wollte das norwegische Unternehmen die Halle dann erwerben, kam aber aufgrund der Solar-Krise in Deutschland in finanzielle Schwierigkeiten und konnte die vereinbarten Zahlungen nicht leisten (die MZ berichtete). Nachdem das Unternehmen 2016 einen Insolvenzantrag stellte, wurde 2017 der Geschäftsbetrieb beendet und die Mitarbeiter entlassen. Die Stadt suchte händeringend nach einem Nachnutzer und bot die Immobilie für 8,5 Millionen Euro im Internet zum Verkauf an.

Dass die Immobilie nun für 7,4 Millionen Euro den Besitzer wechseln wird, dürfte angesichts des drohenden Szenarios, auf den Kosten sitzen zu bleiben, bei vielen für Erleichterung sorgen. Doch so einfach ist die Sache nicht, denn führende Stadträte werfen Bürgermeister Grabner vor, dass er das kommunale Eigentum unter Wert verkaufen wollte. Hintergrund ist ein Wertgutachten, das das Rathaus anfertigen ließ. Darin wird die Summe von 6,55 Millionen Euro aufgerufen - also knapp eine Million Euro weniger, als der nun tatsächlich erzielte Erlös.

Nach heftigem Streit im Stadtrat konnte ein höherer Verkaufspreis gegenüber FEV durchgesetzt werden

Wie Reinhard Kahsche (Unabhängiges Bündnis (UB)), Udo Mölle (Die Linke), Rolf Wittmann (SPD), Ronald König (Freie Wählerfraktion) und Michael Aermes (früher CDU-Fraktions-Chef, nun UB) übereinstimmend berichten, haben in dem Gutachten die Anschaffungskosten für die Trafostation sowie die Druckluft- und Abgasanlage gefehlt. Zudem sei die PV-Anlage zu niedrig bewertet gewesen.

Erst nach heftigen Auseinandersetzungen in den nicht öffentlichen Stadtratssitzungen habe man nach Darstellung der Stadtratsmitglieder den Bürgermeister dazu bewegen können, einen höheren Verkaufspreis gegenüber FEV durchzusetzen. Die Auseinandersetzungen entzweite die CDU-Fraktion, vier Mitglieder traten - darunter Aermes - Anfang des Jahres aus und wendeten sich dem UB zu.

Bürgermeister Andy Grabner spricht von blauem Auge für die Kommune

Doch was sagt der Bürgermeister dazu? „Ich habe versucht, das Bestmögliche herauszuholen und das Verhandlungsergebnis, das sich an dem Wertgutachten orientiert hat und fast so hoch wie der offene Kredit war, dem Stadtrat vorlegt. Sein Recht und seine Aufgabe ist es, dies zu diskutieren, denn er trifft letztendlich die Entscheidungen.“

Um den Eindruck abzuwenden, der Kommune sei durch den erzielten Verkaufspreis ein Schaden entstanden, rechnet Grabner folgendes vor: „Die Halle hat zwölf Millionen Euro gekostet. Abzüglich der Zuschüsse von vier Millionen Euro und Einnahmen von rund 2,6 Millionen Euro war ein Betrag von 5,4 Millionen Euro offen. Durch den Verkauf bekommen wir nun aber 7,4 Millionen Euro und erzielen einen positiven Saldo in Höhe von zwei Millionen Euro.“

Auf die Nachfrage, ob er sich auf so ein Miet-Kauf-Geschäft wie bei Vetro Solar noch einmal einlassen würde, sagt Grabner: „Mit dem Wissen von heute definitiv nicht. Wir hatten Glück und sind mit einem blauen Auge davon gekommen.“ (mz)

FEV betreibt in Brehna bereits ein Dauerlaufprüfzentrum.
FEV betreibt in Brehna bereits ein Dauerlaufprüfzentrum.
FEV