1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Auf Umwegen zum glücklich machenden Job gefunden

Auf Umwegen zum glücklich machenden Job gefunden

Von ANNE-KATHRIN JESCHKE 04.02.2010, 16:53

BITTERFELD/MZ. - Der junge Mann, der neben ihrem Bett steht, grinst verschmitzt. Fabian Stumm heißt er, stammt aus Bobbau und ist einer von 23 Zivildienstleistenden, die zurzeit im Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen eingesetzt werden. Oben, im dritten Stock angekommen, schiebt er das Bett aus

dem Aufzug, plaudert mit der Patientin und nimmt scheinbar locker alle "Hindernisse": hier ein Patient, da ein Putzwagen, eine vorbei eilende Krankenschwester, ein zweites Bett - das alles will umschifft werden. Die Devise lautet: "Bloß nicht anecken."

"So, da sind wir wieder", sagt der 19-Jährige und schiebt die Patientin samt Bett in ihr Krankenzimmer. "Jut, geschafft." Das kleine Wörtchen "jut", das sagt Fabian Stumm häufig. Mittelgroß ist er, schlank, trägt wie die anderen Zivis im Pflegebereich weiße Hose, weiße Turnschuhe, blaues Polo-Shirt. Außerdem eine auffällige, moderne Brille mit breiten schwarzweiß gestreiften Bügeln. Das kurze Haar ist blond gesträhnt und hochgegelt.

Stockwerk eins, Stockwerk drei. Treppe, Aufzug. Aus der Notaufnahme zur Unfallchirurgie. Von der Abteilung für Funktionsdiagnostik auf die Station - Fabian Stumm läuft und läuft und läuft. Dabei hat er immer ein Lächeln auf den Lippen.

"Um 12 essen? Oder halb?", ruft er einem vorbeieilenden Zivi-Kollegen zu, die beiden verabreden sich für die Mittagspause in der Kantine. "Manchmal überlegen wir, uns einen Kilometerzähler anzubringen", scherzt Fabian. "Teilweise müssen sie bei uns mehr laufen, als sie beim Bund müssten", schmunzelt auch Krankenpflegedirektor Jörg Heinrich, der für die Koordination der Zivis im Bereich "Pflege" zuständig ist.

Seine Schützlinge sind in erster Linie für den Transport der Patienten innerhalb des Betriebs zuständig, zum Teil werden sie aber auch auf der Station eingesetzt oder unterstützen das Krankenhauspersonal im OP bei der Umbettung der Patienten.

Neben dem Einsatz im Bereich "Pflege" sind einige Zivildienstleistende für die Sparte "Hausverwaltung" im Dienst. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Versorgung - sie bringen die Essenswagen auf die Stationen, holen sie wieder ab, entsorgen Abfall oder übernehmen die Pflege des Außengeländes der Klinik.

"Eigentlich war immer klar, dass ich zur Bundeswehr gehe", sagt Fabian Stumm, während er einmal mehr auf den Aufzug wartet. Das habe er nach bestandenem Abitur am Wolfener Heinrich-Heine-Gymnasium im Sommer 2009 dann auch gemacht, aber schnell gemerkt, dass es nicht das Richtige für ihn ist.

Der Aufzug kommt an, die Tür öffnet, Fabian steigt hinein, drückt die drei. Nach den ersten drei Monaten und einem längeren Ausfall wegen einer Knie-Verletzung habe er sich entschlossen, nachträglich zu verweigern. Mehrere Anträge habe es gebraucht, bis der letzte bewilligt worden sei.

Oben angekommen, geht er auf die Station, um den nächsten Patienten abzuholen. Er studiert den Zettel, auf dem notiert ist, wen er von wo nach wo transportieren soll. Als nächstes geht es zum EKG. Fabian Stumm klopft an die Tür des Krankenzimmers. "Jetzt hab ich etwas gefunden, wo ich jeden Tag mit Freude zur Arbeit gehe", wirft er noch rasch ein und öffnet die Tür. Sein nächster "Kandidat" liegt im ersten der drei Krankenbetten. "Jetzt geht's zum EKG", sagt der Zivi. "Schon wieder?", murrt der Patient. Der junge Mann lässt sich nicht beirren: "Das muss heute noch mal sein", seine freundliche Erwiderung. Dabei holt er den Rollstuhl ans Bett. "Ziehen sie ruhig die Trainingsjacke über, wir fahren durch die Halle, da ist es frisch heute." Der Patient nimmt Platz. "Jut, dann klappen wir den Spaß hier mal noch runter und auf geht es", sagt Fabian, klappt die Fußstützen aus und schiebt den Patienten vor sich her- durch die Tür auf den Flur, durch die Halle Richtung Aufzug. "Ich habe hier in den letzten drei Monaten gelernt, locker auf alle Menschen zuzugehen", sagt Fabian. Im November hat er seine Zivildienststelle angetreten. Neben den Tagen im Bitterfelder Klinikum wird er bald einen Kurs in der Zivildienstschule besuchen. Dann kann er ausnahmsweise verschnaufen: sitzen und pauken statt laufen.

Krankenpflegedirektor Jörg Heinrich ist froh über seine "nette Truppe". "Es ist nicht verkehrt, wenn die jungen Menschen einen Einblick ins soziale System bekommen. Sie sind uns eine große Hilfe, ohne sie würde eine riesige Lücke klaffen." Eine Verkürzung der Zivildienstzeit von neun auf sechs Monate, wie sie im Gespräch ist, befürwortet Heinrich nicht: Seminare, Urlaubstage - die Zeit werde zu knapp. Fabian ist derweil schon mit dem nächsten Transport beschäftigt - diesmal ist der Patient zu Fuß. Noch nicht in der Abteilung Funktionsdiagnostik angekommen, geht der Piepser: "Oh, wir werden gebraucht", ruft er einem Zivi-Kollegen zu, der ebenfalls gerade eine Patientin bringt. Keine Zeit für eine Verschnaufpause also - es geht direkt weiter. Fabian kommt noch einmal auf seine Bundeswehrgeschichte zu sprechen, während er zügig die Treppe nimmt. "Man kann irgendwie sagen, dass ich auf Umwegen zum Glück gefunden habe", schmunzelt der Zivildienstleistende.

Jetzt spiele er sogar mit dem Gedanken, sich am Klinikum zu bewerben: als medizinisch-technischer Radiologieassistent. Das fände er irgendwie "jut".

Anne Jeschke studiert Journalistik an der Uni in Leipzig.