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Antiquariat im Buchdorf Antiquariat im Buchdorf: Ingrid Gebhardt hat ihre Erfüllung gefunden

Von Silke Ungefroren 23.06.2017, 11:21
Ingrid Gebhardt in ihrem Antiquariat in Mühlbeck
Ingrid Gebhardt in ihrem Antiquariat in Mühlbeck Marcus Jacobi

Mühlbeck - Nichts tun gibt’s bei ihr nicht. Deshalb hat sie sich bisher immer etwas einfallen lassen, wenn ein beruflicher Abschnitt zu Ende ging. Das führte 2003 dazu, dass sich Ingrid Gebhardt für die Selbstständigkeit entschied und in Mühlbeck ein Antiquariat eröffnete.

„Ich war damals arbeitslos geworden“, erzählt sie. „Hinzu kam ein Rheumaleiden, das mich sehr einschränkt.“ Doch plötzlich so ganz ohne Arbeit sein? Also musste etwas her, was mit der Krankheit zu vereinbaren ist.

Und wo ihr Mann auch mal mit zupacken kann. Da kam ihr die Idee mit den Büchern. Sie liebt Bücher: „Lesen ist schon immer mein Hobby“. Zudem hatte sie über eine Beschäftigungsmaßnahme zwei Jahre im Buchdorf Mühlbeck-Friedersdorf gearbeitet und wusste: Das ist es!

„Welche Bücher wo stehen, habe ich im Kopf“

Gedacht, getan. Was einmal ihre Sommerküche werden sollte, steht jetzt voller Bücherregale. Mit einem breiten Spektrum an Lesestoff: Belletristik und Sachbücher, Kinder- und Jugendliteratur, Märchen. Übersichtlich geordnet nach Autoren oder Sachgebieten. Ein Verzeichnis braucht sie nicht, wenn ein Kunde etwas Bestimmtes sucht.

„Welche Bücher wo stehen, habe ich im Kopf.“ Und das heißt schon etwas bei der Anzahl, die mittlerweile zusammengekommen sind - um die 25.000 Stück, schätzt Ingrid Gebhardt. Aufgekauft oder gespendet, aus Bibliotheksauflösungen oder privaten Beständen. „Viele wären im Container gelandet, wenn ich sie nicht übernommen hätte“, sagt sie.

Faszination für die Geschichte alter Bücher

Doch ein Buch in den Müll zu werfen, das ist für sie ein Unding. „Gebrauchte Bücher haben etwas Faszinierendes.“ Oft enthalten sie auch besondere Fundstücke oder Widmungen. In einer alten Bibel hat sie beispielsweise einen Brief entdeckt, der 1896 von einem Mädchen geschrieben wurde.

Und in einem Buch über DDR-Staatsmann Egon Krenz befand sich noch ein Briefwechsel zwischen ihm und dem ehemaligen Buch-Besitzer. „Da hatte Krenz dem Mann aus dem Gefängnis geschrieben.“

Noch wichtiger als diese Entdeckungen aber sind ihr die Kontakte zu den Menschen, die sie über die Bücher knüpft. Dabei kommen die Leute, die bei ihr stöbern, nicht nur aus Deutschland. Holländer, Franzosen und Engländer waren schon da, auch ein Amerikaner und eine Kubanerin. Solche Begegnungen sind für sie eine Bereicherung.

Ingrid Gebhardt blickt immer nach vorn

Ingrid Gebhardt strahlt Lebensfreude aus. „Ich bin total zufrieden“, sagt die 64-Jährige. „Alles, was ich bisher getan habe, hat mir Spaß gemacht.“ Und das ist einiges: Nach der Wende wurde die Diplom-Landwirtin zur Bürgermeisterin in Beerendorf bei Delitzsch gewählt.

Doch nach den Eingemeindungen wollte sie nicht im öffentlichen Dienst bleiben. Sie veränderte sich nicht nur beruflich und schulte zur Managerin um, sondern baute sich mit der Familie auch ein neues Heim in Mühlbeck auf. „Und ich war auch schon Hartz IV-Empfängerin, kenne also alle Facetten des Lebens.“

Doch nichts davon, meint sie, war umsonst. Es hat sie stark gemacht. Zufrieden. Offen auch für andere Dinge - wie Geschichten schreiben. „Ich habe zwar keine finanziellen Reichtümer, fühle mich aber trotzdem reich.“ (mz)