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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Müllschlucker unter Dampf

Von CHRISTINE KRÜGER 10.03.2010, 17:01

BITTERFELD/MZ. - "Ich glaube, dass das Projekt für den Standort ganz wichtig ist", sagte Chemiepark-Geschäftsführer Dr. Michael Polk. "Für Investoren erweitern sich die Möglichkeiten des Energiebezugs." Zu Strom und Dampf umgewandelt wird hier speziell aufbereiteter Haus- und Gewerbemüll aus ganz Deutschland. Am Mittwoch hat das Kraftwerk den Regelbetrieb aufgenommen.

Das zweite Kraftwerk am Chemie-Standort Bitterfeld-Wolfen, das Firmen vor Ort mit Dampf versorgt, will im Wettbewerb mit dem auf Erdgas-Basis arbeitenden Envia-Kraftwerk punkten. Die 65-Millionen-Euro-Investition sieht Polk auch als eine Antwort auf die am Standort hart geführte Energiepreis-Diskussion. "Unsere Kunden können sich auf stabile Preise einstellen, wir haben eine geringe Abhängigkeit von Öl- und Gaspreisen", so der technische Geschäftsführer von PD-Energy, Dr. Hartmut Liebisch. "Langfristig kalkulierbare Preise - das ist unser Plus." Zwei Großabnehmer am Standort seien bereits unter Vertrag. Sie werden seit Januar versorgt.

Das Heizkraftwerk hat eine elektrische Bruttoleistung von 11,4 Megawatt. Die maximale Dampfproduktion der Anlage liegt bei 30 Megawatt. Das, so Polk, entspricht zwei Dritteln von dem, was im Chemiepark derzeit benötigt wird. Für die Dampfverteilung nutzt DP-Energy das Netz von envia Infra. "Das dürfte einzig sein in Deutschland, dass Dampf über ein fremdes Netz verteilt wird", stellte er fest und wies zugleich auf eine sachliche Zusammenarbeit mit envia hin. Der in der Anlage erzeugte Strom indes wird an der Leipziger Energiebörse vermarktet.

Der Grundstein für das Ersatzbrennstoff-Kraftwerk wurde im Dezember 2007 gelegt, angefeuert wurde im August, danach begann der Probelauf, am Mittwoch nun der Regelbetrieb. 25 Arbeitsplätze sind damit entstanden. Einer der neuen Mitarbeiter ist Reinhard Müller, der im Leitstand seinen Platz hat. Von hier aus überwacht er den gesamten Prozess - von der Annahme bis zur Rauchgasreinigung. Anlagenfahrer Müller, der zwischendurch auf dem Bau gearbeitet hat, ist glücklich. "Ich bin froh, dass ich wieder in meinem Beruf bin. Und das hier ist ja auch interessant", sagte er. Ein paar Etagen höher bedient Detlef Schreiter den Kran, mit dessen Greifer ständig der ankommende Müll in den Kesseltrichter geschwenkt wird. 1 700 Tonnen liegen derzeit da unten im Bunker, die nach und nach in den 35 Meter hohen Kessel wandern. Dort herrschen Temperaturen in der Brennzone von mindestens 850 Grad.

Die neue Ersatzbrennstoff-Anlage sei jedoch mit einer herkömmlichen Müllverbrennungsanlage nicht vergleichbar, betonte Liebisch. "Wir haben hier zu 100 Prozent eine Wärme-Kraft-Kopplung. Die aufbereiteten Brennstoffe werden zu 70 und mehr Prozent ausgenutzt." Die Rauchgasreinigung entspreche höchsten Standards.

25 Lkw bringen täglich die Müll-Ladungen in die Lagerhalle, die 3 000 Kubikmeter aufnehmen kann. Der ständig verfügbare Vorrat reicht für zehn Tage.