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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Mit Libehna am Markt wie in der Männerrunde behauptet

Von ULF ROSTALSKY 29.03.2011, 16:09

FRIEDERSDORF/MZ. - "Eigentlich wollten wir schon im Urlaub sein." Eva Geidel sieht sich selbst als unruhige Ruheständlerin. Eine, die ihr ganzes Leben lang gern Entscheidungen getroffen und Verantwortung übernommen hat. Das Mittelmeer musste warten, der Urlaub wurde kurzerhand verschoben. Die 71-jährige Friedersdorferin ist mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt worden.

"An so etwas denkst du einfach nicht. Wie du die eigene Arbeit immer im anderen Licht als deine Umgebung siehst." Natürlich habe sie sich gefreut, als die Post aus der Magdeburger Staatskanzlei ins Haus flatterte. "Aber ich habe auch erst einmal Luft holen müssen. Das ist alles nicht alltäglich."

Die kleine blaue Schatulle mit dem goldenen Bundesadler liegt in der Hand der Frau, die Spuren hinterlassen hat in der Region. Das Kreuz am Ordensband wirkt noch fremd, die für das Revers bestimmte Anstecknadel wird allerdings schon einmal herausgenommen. Die zu tragen könnte sich Eva Geidel vorstellen. "Aber wirklich nur zu ganz besonderen Anlässen." Weil die Auszeichnung eben auch eine ganz besondere sei.

Gewürdigt wurde die Friedersdorferin für ihr beispielhaftes Engagement. Sie machte den Raguhner Ogis-Fruchtsaftbetrieb zur Libehna Fruchtsaft GmbH, die heute eine anerkannte Größe in der Branche ist und 50 Mitarbeitern Beschäftigung bietet. Die Blauäugigkeit, meint Eva Geidel, habe damals geholfen. "Hätten wir alle Schwierigkeiten geahnt, hätte wir das Wagnis bestimmt nicht in Angriff genommen." Doch auch die Friedersdorferin war von der Aufbruchstimmung der Wende erfasst. Und sie erinnert sich genau an die Gefühle, die sie damals bewegten: "Ich habe Tränen in den Augen gehabt, als ich zum ersten Mal die Schwarzwaldhochstraße gefahren bin und das erste Fruchtsaftunternehmen im Westen gesehen habe." In Klaus Diers fand Eva Geidel schließlich einen Geschäftspartner, mit dem sie Libehna gemeinsam auf den Weg gebracht hat. "Jeder auf seine Art mit seinen ganz besonderen Eigenarten und mit jeweils 50 Prozent Anteil am Unternehmen." Die Söhne halten heute die Fahnen hoch in der 135 Jahre alten Raguhner Firma. Eva Geidels Sohn bringt sich in die Technik ein, der von Klaus Diers in die kaufmännischen Belange.

"Loslassen musst du", weiß die Geehrte aus eigener Erfahrung. Zumal das Geschäft in der Fruchtsaftbranche ein schnelllebiges und hartes wäre. "Aber ich konnte nicht einfach den Schreibtisch gegen die Kittelschürze tauschen." Ehemann Wolfgang schmunzelt. Er kennt seine Frau, die immer etwas tun musste und das auch weiterhin machen möchte. Als Unternehmerin hat sie den Schulterschluss mit Hochschulen gesucht und gemeinsame Forschungsprojekte auf den Weg gebracht. Sie war Mitglied in der Schutzgemeinschaft der deutschen Fruchtsaftindustrie, "weil Qualitätsstandards auch in den Ländern gelten sollen, aus denen unsere Rohstoffe kommen".

Eva Geidel hat als Pendant zur typischen Männerrunde in der Industrie den Unternehmerinnenstammtisch mit ins Leben gerufen und die Liebe zur evangelischen Kirche ihres Heimatortes entdeckt. "Die Orgel klang fürchterlich. Aber nur die zu sanieren war einfach zu wenig." Jetzt gibt es einen Förderkreis, dessen rührige Seelen für neuen Glanz im Gotteshaus gesorgt haben. Auch die Orgel klingt wieder. Geht es nun ans Ausruhen? "Im Urlaub ja." Doch nach einer Woche werde sie nervös, müsse was anderes machen. Was es diesmal ist, verrät Eva Geidel nicht. Nur soviel: "Es gibt Ideen."