Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Maler des schwelenden Konflikts
BITTERFELD/MZ. - Zwei Männer in einem engen Flur: Der eine hat die Tür, durch die ein harter, greller Sonnenschein fällt, geöffnet und offenbar den Fuß schon über die Schwelle gesetzt. Der andere steht neben der Tür und scheint soeben im Begriff zu sein, gehen zu wollen. Eine Begegnung hat stattgefunden, ein Gespräch sicherlich. Die Gesichter beider Männer sind zu sehen - und die sprechen Bände. Willkommen sieht anders aus. "Der Gast" heißt das großformatige Bild von Christian Brandl. Der Leipziger Maler stellt derzeit in der Galerie am Ratswall in Bitterfeld aus.
Und die Ausstellung hat es in sich. Die Bilder sind spannend wie ein guter Krimi. Was zieht den Betrachter in den Bann? Ist es die Komposition des Bildes? Sind es die Gesichter der Figuren? Die beschränkte, mitunter bedrohlich enge Umgebung, in der sie sich sich befinden? Der eingefangene - um nicht zu sagen eingefrorene - Augenblick? Was wollen die Figuren? Und wieso stecken sie immer im Anzug oder im korrekten Kleid? Selbst auf dem Alpengipfel steht der Herr mit dem Einstecktuch am Jackett. Was ist hier eigentlich los? Wo schickt der Maler den Betrachter hin?
Ganz deutlich wird: Brandl malt den Konflikt. Das trifft den Betrachter frontal. Er fühlt nachgerade diese ungute Atmosphäre, in der ein Konflikt wächst und wächst, in der es unter der gutbürgerlich-glatten Oberfläche brodelt. Irgendetwas muss geklärt werden. Die Situationen deuten an, dass gerade etwas bevorsteht. Diesen typischen, prägnanten Moment erfasst der Maler. Zum Beispiel im Bild "Der Pass": Ein Mann - im Anzug natürlich - erfreut sich an der Alpenlandschaft, er ist eins mit der Natur, wäre da nicht am Bildrand diese hohe, harte, dunkle Wand. Wie eine Säge fährt sie dazwischen, macht sie die scheinbare Idylle kaputt. Was wird hier passieren?
"Nicht der Ausbruch des Konflikts ist das Thema, sondern die unheilvolle Atmosphäre davor", sagt Christian Bandl. "Das Ereignis vor dem Ereignis." Dabei verlieren seine Figuren weder Haltung noch Gesicht. Davor bewahrt sie schon die fast überkorrekte Kleidung. Der Anzug wird für den Maler so zum Symbol: "Es sind Menschen, die mit und um ihre Haltung ringen. Es geht ja den meisten so: Gerade wenn man in einer Konfliktsituation ist, will man so wenig wie möglich von sich preisgeben."
Doch nicht immer stellt er seine Figuren in eine aufgeheizte Atmosphäre, lässt sie mit ihren Ängsten und Zwängen dort stehen. Das betont er ganz bewusst. Ein schönes Beispiel dafür ist das Bild "Der Gang", auf dem der Mann, der in einer sattgrünen Landschaft spazieren geht, lächelt. Er ist mit sich und offenbar auch mit seiner Umwelt im Reinen.
Brandls Bilder wecken in gewisser Weise eine Assoziation zu den Amerikanern Eric Fischl und Edward Hopper. Doch das will Christian Brandl nicht - zu Recht, seine Bilder sind stark und sprechen für sich. Bereits vor einigen Jahren war der Künstler, der zur so genannten Leipziger Schule gezählt wird und von 1999 bis 2001 Meisterschüler bei Professor Ulrich Hachulla an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig war, in der Bitterfelder Galerie mit Zeichnungen vertreten. Vor dem Studium, sagt er, habe er fast nur gezeichnet. "Die Farbe habe ich während des Studiums entdeckt", meint er. Jetzt vor allem steht das Malen im Vordergrund, zudem entstehen Grafiken und Radierungen. "Brandl ist ein klasse Zeichner", kommentiert Galerist Ralph Becker.
Brandl zeigt in seiner aktuellen Ausstellung auch Radierungen, die einen spannungsreichen Kontrast zu seinen großformatigen Bildern liefern. Hier ist sein großes zeichnerisches Talent zu sehen und zu bewundern. Auch Hachulla, der die Laudatio hielt, betonte Brandls Zeichenkunst. Hier habe er sich stets Adolph Menzel als großes Vorbild genommen.
Mit Christian Brandl setzt die Galerie am Ratswall Bitterfeld die Reihe Kunst aus Leipzig fort. Im Laufe des Jahres, so Galerist Ralph Becker, sind weitere Ausstellungen mit Künstlern aus der Messestadt vorgesehen.