Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Leben am Existenzminimum
BITTERFELD-WOLFEN/MZ. - Bereits am Sonntag machte das Ergebnis der Koalitionsberatungen über die Hartz-IV-Sätze die Runde: Fünf Euro und keinen Cent mehr für die knapp fünf Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger. Obwohl der Vorschlag der Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) voraussichtlich am 17. Dezember durch den Bundesrat muss und bei einer fehlenden Mehrheit in den Vermittlungsausschuss kommt, fragte die MZ schon einmal: Wie ist diese Fünf-Euro-Erhöhung aus Bürgersicht zu bewerten?
"Ich hätte mich gefreut, wenn mehr für die Kinder herausgekommen wäre", sagt Heiko Ritter. Richtig findet der Arbeitnehmer aber, dass nun Ausgaben für Alkohol und Tabak nicht mehr berücksichtigt werden. Dennoch betrachtet er die Erhöhung um fünf Euro insgesamt als zu gering. "Den betroffenen Menschen müsste schon mehr zustehen." Das sieht Uwe Reh anders. Er selbst lebte ein Jahr vom Arbeitslosengeld II (ALG II) und ist nun Lagerarbeiter. "Ich bin mit dem Geld ausgekommen", sagt er. Irgendwo dazwischen positioniert sich auch Gerd Riemer. Sechs Tage in der Woche steht er mit seiner Gulaschkanone auf unterschiedlichen Märkten. "Ich bin bei Wind und Wetter draußen", sagt er, "ich möchte mein Geld selbst verdienen und kann mir vorstellen, dass das viele andere auch wollen." Daher denkt er, dass denen, die wirklich nicht arbeiten gehen können, auch Hartz IV bzw. ALG II zustehe. Dass man aber für die, die arbeiten wollen auch entsprechende Angebote vorhalten müsse.
Doch diese Wahlmöglichkeiten haben die Betroffenen meist nicht. Fragt man im Wolfener Sozialkaufhaus die so genannten "Ein-Euro-Jobber", erfährt man etwa von Bärbel Kürbitz, "dass man trotz dieser geplanten Erhöhung aufgrund steigender Kosten unter dem Strich nicht mehr hat". Aber die Diskussion dreht sich weniger um die Anhebung des Hartz-IV-Satzes als vielmehr um die Zuverdienstmöglichkeiten, Arbeitsangebote oder beruflichen Perspektiven. "Ich bin allein erziehende Mutter", sagt Brigitta Hennig, "man weiß - trotz der Tätigkeit hier - irgendwann nicht mehr, wie man sich finanzieren soll und fühlt sich allein gelassen." Unterschiedliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Qualifikationen habe sie schon absolviert. Auch ein Spanischkurs wurde ihr vermittelt. Die jetzige Arbeit im Sozialkaufhaus sei zwar eine Chance, doch nach einem Jahr laufe auch diese Maßnahme aus. Was dann kommt, weiß sie noch nicht. "Ich strebe aber einen sozialversicherungspflichtigen Job an."
Doch das ist leichter gesagt als getan. Das weiß auch Elke Schulz. Zur Mittagszeit trifft man sie in der Bitterfelder Wärmestube. Trotz ihrer Arbeit in einem Discounter bekommt sie ALG II. "Ich bin Aufstockerin, obwohl ich arbeite", sagt sie, "man kann also nicht alle Hartz IV-Bezieher über einen Kamm scheren, denn es gibt hier viele, die arbeiten möchten." Kaum hat sie das gesagt, entsteht eine rege Diskussion am Tisch. "Für 8,10 Euro essen wir hier in der Woche", sagt eine Frau, die ihren Namen nicht nennen will und von allen Jette genannt wird. "Wenn die Wärmestube nicht wäre, wüssten wir nicht wohin. Wir leben am Existenzminimum - auch mit fünf Euro mehr in der Tasche."