Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Großer Teil der Gebäude in bedauernswertem Zustand
BITTERFELD/MZ. - Besucht man dieser Tage das ehemalige Rittergut "Elisenhof" in Löberitz im Landkreis Anhalt-Bitterfeld, bietet sich ein Bild, das man eigentlich 20 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr für möglich hält: Wo ehemals ein Hort der Kunst war und Schöngeister über Philosophie diskutierten, liegen kniehoch Müll und Unrat, die Wände sind beschmiert. Die Fenster im Erdgeschoss laden ungebetene Gäste ein, und so ist längst nicht nur die wertvolle Geländeranlage der großartigen Treppe verschwunden. Eine kleine Ratte, genauso erschrocken wie der Autor, läuft quickend durch das Haus.
Von außen ist von dem Elend nicht viel zu sehen, die dichten Blätter der jungen Spitzahorne verbergen den einstigen Herrensitz, als würden sie sich schämen für den Anblick, der sich Gästen und natürlich auch den Einwohnern von Löberitz bietet. Hinter dem Haus sieht es nicht besser aus: Der reizende kleine Park ist zu einem Wäldchen verwachsen und lädt nicht gerade zum Spaziergang ein. Ein Einzelfall? Leider nein. Während historische Altstädte, Rathäuser und Kirchen in den letzten beiden Jahrzehnten aufwendig restauriert wurden, befindet sich ein großer Teil der sachsen-anhaltischen Schlösser und Herrenhäuser in einem bedauernswerten Zustand. Etwa 1 000 historische Adelshäuser sind Sachsen-Anhalt verblieben, die Hälfte davon steht leer, ein Drittel ist dem Verfall preisgegeben.
Leuchttürme im Blickfeld
Die Öffentlichkeit nimmt dies aber nicht wahr, weil sich die Aufmerksamkeit auf einige große, "bedeutende" Adelssitze fokussiert, die - wie Burg Falkenstein oder Schloss Luisium - im Besitz der Stiftung Dome und Schlösser sind oder der Kulturstiftung Dessau / Wörlitz gehören und mit Millionenaufwand restauriert wurden. Beide Stiftungen verwalten zusammen 15 Schlösser. Die restlichen 98 Prozent der Schlösser und Herrenhäuser im Land haben es deutlich schwerer. Fördermittel sind für die überwiegend in privatem oder kommunalem Besitz befindlichen Häuser kaum zu bekommen und die Eigentümer oft schon mit der Bauwerksunterhaltung überfordert. Bis zum Herbst 1945 hatten Erträge aus der Land- und Forstwirtschaft die Adelssitze unterhalten, die Bodenreform hat dieses jahrhundertealte Band zerrissen.
Fehlendes Interesse
Doch einem Gutshaus ohne Gut fehlt die wirtschaftliche Grundlage. Nach der politischen Wende wurden die Enteignungen nicht rückgängig gemacht, neu gegründete oder umstrukturierte Agrargesellschaften bewirtschaften zwar das Bodenreformland, haben aber kein Interesse am kulturellen Erbe der Schlösser und Herrenhäuser.
Auf der Suche nach Prinzen
Eine Übertragung der Objekte an die Familien der Altbesitzer oder wenigstens ein bevorzugter Verkauf in jene Hände wäre vielleicht in vielen Fällen eine gute Lösung gewesen, doch nur selten waren Bund, Land und Kommunen dazu bereit. Stattdessen glaubte man, durch raschen Verkauf an Investoren und ortsfremde Privatleute die Schlösser retten zu können. Doch diese Hoffnung trog, 80 Prozent aller Privatisierungen in den Neuen Bundesländern gingen fehl. Zugesagte Restaurierungen blieben aus, hochfliegende Pläne scheiterten.
Mittlerweile haben manche Herrenhäuser schon zwei- bis viermal den Besitzer gewechselt, so dass selbst die zuständigen Behörden oft nicht auf Anhieb sagen können, wer der aktuelle Besitzer ist. Die Immobilienzeitschrift "Bellevue" vermeldete vor kurzem, dass allein in Mecklenburg-Vorpommern gerade wieder 1 000 (!) Schlösser zum Verkauf ständen - zu "sensationellen Preisen".
Kaum noch Förderung
"Das Land und die kommunalen Gebietskörperschaften sollen die Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmalen dabei unterstützen, die Erhaltung der Denkmale auf Dauer zu sichern", ist im Denkmalschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zu lesen. Doch die gleichen, die im Übrigen auch vom Verkauf des Bodenreformlandes profitierten, nämlich Land und Bund, fördern Schlösser, Burgen und Herrenhäuser kaum noch, vor allem nicht, wenn diese in Privatbesitz sind. Was soll mit unserem Kulturerbe geschehen? Es ist traurig, aber realistisch: Bis 2030 wird Sachsen-Anhalt wohl jedes fünfte Schloss durch weiteren Verfall verlieren.
Nur Nutzung sichert Unterhalt
Allein im Landkreis Anhalt-Bitterfeld liegen mehr als 40 historische Schlösser, ehemalige Burgen und Herrenhäuser. Schon die Vielzahl der Objekte verdeutlicht, dass nicht aus jedem Adelssitz ein Schlosshotel oder Museum werden kann. Die Suche nach tragfähigen Nutzungskonzepten führt wahrscheinlich weniger zu millionenschweren Investoren, auch wenn manche Kommunen auf diese noch immer warten. Gefragt sind ideenreiche Menschen, die dem Bauwerk aber erlauben, seine eigene Geschichte zu erzählen.
Und solche Erfolgsgeschichten gibt es in Sachsen-Anhalt durchaus, man denke nur an das "Weihnachtsschloss" in Döbbelin bei Stendal oder das Schloss Hohenerxleben bei Staßfurt mit seinem vielseitigen Angebot aus Kultur und Gastronomie. Daneben zeigen viele Vereine und engagierte Privatbesitzer, dass man auch mit wenig Geld, aber reichlich Idealismus alte Bauten erhalten kann.
Die Mitteldeutsche Zeitung will diesen Menschen und den Denkmälern im Landkreis mehr öffentliche Aufmerksamkeit verschaffen. Denn noch führen bedeutende Schlösser wie in Quetzdölsdorf, Zörbig oder Pouch ein Schattendasein, aus welchen Gründen auch immer. In wöchentlicher Folge wird deshalb zukünftig an dieser Stelle über Burgen, Schlösser und Adelssitze informiert, die zwischen Köthen und Bitterfeld liegen. Neben Wissenswertem über Geschichte und Geschichten sprechen wir mit Behörden und Vereinen, Historikern und Landwirten.
Wirklich wie im Märchen?
"Mama, ich bau dir ein Schloss", trällerte einst Heintje. Und deshalb wollen wir wissen: Ist es wirklich wie im Märchen, in einem Schloss zu leben, die Verantwortung zu tragen für einen meist großen alten Kasten? Sind diese Mauern all die Mühen wert? Die Serie geht in dem nächsten Beitrag mit Zörbig weiter.