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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Gefängnis will in die Öffentlichkeit

Von Carla Hanus 18.12.2011, 21:15
Justizvollzugsanstalt Dessau-Roßlau
Justizvollzugsanstalt Dessau-Roßlau Sebastian Lizenz

Dessau/MZ. - "Gefängnisse haben keine Lobby." Mario Pinkert stellt das ganz sachlich fest. Dabei könnte der Vorsitzende des Ortsverbandes des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands resignieren, wenn er an die Zukunft seines Arbeitsplatzes und an rund 100 weitere Justizvollzugsmitarbeiter denkt. Denn alle drei Varianten, die eine Projektgruppe zur Neuordnung des Justizvollzuges in Sachsen-Anhalt für 2011 bis 2016 erarbeitet hat, sehen die Schließung des Dessauer Standortes vor.

Doch Pinkert resigniert nicht. Er führt massive Gespräche, wie er es nennt, wenn er den Oberbürgermeister und die Landtagsfraktionen, den Gefängnisseelsorger und die Anwälte, die Dezernenten und die Landtagsabgeordneten anspricht und auf die Lage der Mitarbeiter in der Dessauer Justizvollzugsanstalt wie in den anderen JVA aufmerksam macht. Seit Juni ist Pinkert unterwegs. Damals habe er die Pläne noch gar nicht gekannt, "und auch jetzt habe ich davon nur aus den Medien erfahren", sagt er.

Er habe vor allem auf den hohen psychischen Druck hingewiesen, unter dem die Mitarbeiter stehen und auf die Altersentwicklung, die mit sich bringt, dass in zehn Jahren 30 bis 40 Prozent der Mitarbeiter aus Altersgründen ihren Arbeitsplatz verlassen werden. Nun kommen die Schließungspläne hinzu. Das verunsichere die Mitarbeiter noch mehr, sagt Pinkert, "die Belastung nimmt extrem zu". Die Arbeitsbedingungen und die Zukunft des Standortes sind die eine Seite, um die sich Pinkert sorgt. Die andere Seite, die für ihn ebenso wichtig ist, ist die Zukunft Dessaus als Oberzentrum. Die sei gefährdet, meint er. Und mit dieser Auffassung steht er nicht allein.

Der Dessauer Oberbürgermeister Klemens Koschig teilt Pinkerts Ansicht. Die Schließung der JVA würde eine Schwächung des kleinsten und wirtschaftlich schwächsten der drei Oberzentren bedeuten, führt Koschig in einem Brief an den Ministerpräsidenten aus. Die mit der JVA verbundenen 100 Arbeitsplätze würden Kaufkraft und Steueraufkommen für die Kommune bedeuten. Auch werde der Justizstandort selbst in Frage gestellt, blickt Koschig auf weitere mögliche Entwicklungen. Verhandlungstermine am Landgericht wären beispielsweise nur noch durch organisatorisch aufwändige Gefangenentransporte durchführbar. "Damit wird über kurz oder lang auch das Landgericht in Frage gestellt", schlussfolgert Koschig.

"Bei der Entscheidung über die zukünftige Struktur des Justizvollzuges in Sachsen-Anhalt müssen die Interessen der Region Anhalt berücksichtigt werden", fordert SPD-Landtagsmitglied Holger Hövelmann. Er weist auf die erheblichen Summen hin, die in die JVA investiert worden sind. Mehr als zwei Millionen Euro sind aus dem Konjunkturpaket II in den Neubau einer Produktionshalle investiert worden. "Diese Investitionen kann das Land nicht nach so kurzer Zeit einfach abschreiben", so Hövelmann. Zudem sei die JVA Auftraggeber für Handwerksfirmen und Dienstleistungsunternehmen in der Region.

Diese Argumente kennt auch Pinkert und deshalb wirbt er für eine Lobby auch für das Gefängnis.