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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Fischadler-Nachwuchs auf dem Weg nach Westafrika

Von IRIS LADEMANN 01.09.2010, 17:33

SCHLAITZ/MZ. - Mit einem lachenden und einem weinenden Auge schauen Regina Kunze und Susanne Grießbach, die beiden Leiterinnen vom "Haus am See" in Schlaitz auf den großen Bildschirm an der Wand. Denn dort, wo in den vergangenen vier Monaten das Leben der Familie Fischadler pulsierte, ist Stille eingetreten. "Die Jungen sind jetzt endgültig weg", klingt ein wenig Wehmut in den Worten von Susanne Grießbach. Doch ihre Mitstreiterin sieht das positiv: "Ist doch schön, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal seit es die Livecam gibt, den gesamten Entwicklungsweg der Jungen verfolgen konnten - vom Schlüpfen am 30. beziehungsweise 31. Mai bis zum erfolgreichen Start nach Westafrika."

Doch verzichten möchten die beiden Frauen auch nicht auf die Erkenntnisse, die sie in den vergangenen fünf Jahren gesammelt haben, nämlich, wie schwer es ist, Junge aufzuziehen. Und sie freuen sich auch darüber, dass der im Frühjahr installierte Marderschutz etwas gebracht habe. Zumindest war dadurch die Gefahr vom Boden aus gebannt. Und die Angreifer aus der Luft wie Krähen und andere Raubvögel wurden erfolgreich in die Flucht geschlagen. Möglicherweise, so die Einschätzung der beiden Frauen, haben die Altvögel aus den vergangenen Jahren gelernt. So sei es auch keinem Habicht wie im vergangenen Jahr gelungen, die Jungvögel "zu entführen".

Alles ist dokumentiert, was rund um die Uhr in den vergangenen Monaten passierte, vom Eintreffen des Fischadlermännchens Romeo und seiner Frau Paula, über das Legen der Eier, das Schlüpfen des Nachwuchses bis zum Abflug der Jungtiere. "Dieses Jahr haben wir beim Zusammenschnitt der wichtigsten Ereignisse im Horst ganz bestimmt Probleme", erklärt Sabine Kunze lächelnd. Zu viel, was es wert sei, festgehalten zu werden, sei passiert. Sie denke da an die lange Kälteperiode, in der die Küken warm gehalten werden mussten oder an die Hitze beziehungsweise dem darauf folgenden Dauerregen. "Wie oft haben wir beobachtet, dass Romeo und Paula die Flügel über ihren Jungen ausgebreitet haben, um ihnen entweder Schatten zu spenden oder den Regen abzuhalten", sagt Susanne Grießbach. "Erstaunlich auch, mit welcher Selbstverständlichkeit Romeo die Pflichten von Vater und Mutter übernommen hat, als das Weibchen am 6. Juli das Nest verlassen hat." Das sei ganz normal, setzt sie hinzu. Denn Paula hatte zuvor sechs Wochen lang nur auf dem Nest gesessen und sich kaum bewegt. Da aber auch sie den weiten Weg über die Sahara, wo es nur Sand gibt und keine Nahrung für die Fischadler, spätestens Ende August / Anfang September antreten werde, "muss sie bis dahin vor allem ihre Muskeln wieder kräftigen", setzt Sabine Kunze erklärend hinzu.

Wie ein stilles Einvernehmen habe der Rollentausch von einer Minute auf die andere stattgefunden. Denn von Stund' an war Romeo nicht nur für die Nahrungsbeschaffung zuständig, sondern auch dafür, das Nest in Ordnung und sauber zu halten, Feinde zu vertreiben und die Jungen zu beschützen. Dabei reichte ein bestimmter Laut von Romeo und die beiden Jungen, damals noch im "Tarnkleid", fielen wie auf Kommando zeitgleich wie tot um, waren so aus der Luft als lebendige Wesen kaum auszumachen. Wochen später halfen die Jungtiere, schon zu beachtlicher Größe herangewachsen, mit, die Angreifer zu vertreiben.

Sabine Kunze erzählt vom ersten unfreiwilligen Flugversuch von "MD 6" (Nummer der Beringung). Der andere Jungvogel trägt übrigens die Nummer "ME 6". "Als Romeo eines Tages mit einem großen Fisch auf dem Horst landete, rutschte MD 6, der am Rand saß, ab, und fing sich im Flug." Kurze Zeit später sei er auf dem Gittermast wieder gelandet. "Wir waren froh, dass ihm nichts passiert ist", gibt Susanne Grießbach ihre Erleichterung kund. Auf diese Weise Mut gefasst, wurden die Flüge der Jungen um den Horst immer mutiger. "In den letzten Tagen vor dem Abflug waren sie manchmal bis zu einem halben Tag unterwegs", ergänzt sie und gibt ihrer Gewissheit Ausdruck, dass sie MD 6 und ME 6 ganz gewiss nicht das letzte Mal gesehen habe. Denn wenn die Jungvögel geschlechtsreif sind, was nach drei Jahren der Fall sei, kommen sie ins Revier zurück und gründen neue Familien.