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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Die Mutmacherin

Von Christine Krüger 10.01.2012, 18:07

Wolfen/MZ. - Ist es der freundlich-fragende Blick, der Vertrauen schafft? Das muntere Lächeln? Die behutsam-burschikose und dennoch leise Art, mit der Ines Chlebowski einem begegnet? Irgendwie jedenfalls stellt sich das sichere Gefühl "das kriegen wir zusammen schon hin" ein. Und tatsächlich - die Leiterin des Frauenhauses in Wolfen hat viele Frauen, die - mit oder ohne Kindern - vor der Tür standen und hier Zuflucht gesucht haben, wieder aufgerichtet.

Sie ist Zuhörerin und Begleiterin, Ratgeberin und manchmal auch Freundin. Die zierliche Frau hat die Gabe, anderen Frauen Mut zu machen, sich selbst und die Kraft, die in ihnen steckt, zu entdecken. Das, soweit ist es klar, will sie gar nicht so hören. Das sieht sie als etwas ganz Selbstverständliches an. Auch, weil hinter ihr ein ganzes Team steht, das alles das mitträgt. "Die Frauen halten mir oft den Rücken frei", sagt sie und ist glücklich darüber, "so dass ich auch außerhalb des Frauenhauses was machen kann."

Für ihr Engagement hat Ines Chlebowski unlängst die Ehrennadel des Landes Sachsen-Anhalt erhalten. "Darüber habe ich mich sehr gefreut", sagt Gleichstellungsministerin Angela Kolb (SPD), "sie ist eine Mutmacherin." Und das mit dem Mut machen fing zur Wendezeit in Wolfen an. "Bei den ganzen politischen Veranstaltungen bin ich immer wieder den selben Frauen begegnet. Da kommt man ins Gespräch. Und irgendwie hatten wir alle die selben Gedanken: Was passiert jetzt mit uns", erzählt sie. "Paar positive Sachen gab’s ja im Osten - Kinderbetreuung zum Beispiel, wir Frauen waren unabhängig, konnten über Schwangerschaft bestimmen, unseren Lebensunterhalt selbst sichern. Das hat ja alles was mit Erfüllung und Selbstbewusstsein zu tun. Jetzt mussten wir erstmal gucken, was wir in dem Umbruch selbst Nützliches und Sinnvolles tun können."

Und das war keine Theorie. Sie selbst war erstmal ihren Job als Medizinisch-technische Assistentin los, als sie nach ihrem dritten Kind im Krankenhaus wieder durchstarten wollte. "Eine Mutter mit drei Kindern gehörte eben an den Herd", meint sie lakonisch, lächelt und hebt die Schultern. "Den ganzen jungen Frauen mit Kindern bei uns ging es so." Das war 1991. Da hatte sie schon die neue Aufgabe, die jetzt in der Gesellschaft präsent sein würde, erkannt - sich für das Recht der Frauen zu engagieren, gleichberechtigt und ohne wie auch immer geartete Gewalt leben zu können. Die Gründung des Vereins Frauenhelfen Frauen, zu dem das Frauenzentrum und das Frauenhaus gehören, ist ohne sie nicht denkbar. Und alles, was der Verein bislang geschafft hat, auch nicht.

Das erste, was die Frauen auf die Beine stellten, war, Räume einzurichten, in denen Frauen vor Gewalt und Stalking Zuflucht finden können. Was 1991 mit nichts als zwei Dreiraum-Schutzwohnungen für fünf Frauen und sieben Kinder und einer Menge an Mut und Kraft anfing, ist längst zu einer zuverlässigen Einrichtung geworden. Fast 1 000 Frauen haben in den 20 Jahren, in denen sie besteht, hier einen Zufluchtsort gefunden - und mit ihnen auch über 1 000 Kinder. Eine verrückte Zeit nennt Ines Chlebowski die Anfänge. Oft ging die Arbeit bis in die Nacht. "Ich hab das ja nicht allein gemacht, wir waren schon einige", sagt sie. Und: Ohne ihren Mann und die Eltern hätte sie das alles so nicht schaffen können, ist sie überzeugt. "Wenn ich allein war, habe ich die Kinder mitgenommen: Eins vorn auf dem Rad, eins hinten und eins auf dem kleinen Fahrrad daneben. Wenn es hieß, wir müssen ins Frauenhaus - das fanden die toll", erzählt sie. "Ich glaube, meine Kinder sind sehr stolz auf mich - ich aber auch auf sie."

Ihre Arbeit ist ihr nach wie vor wichtig, sie ist ein großer Teil von ihr. Gleich nach der Wende, erinnert sie sich, war sie zu einer Diskussion zwischen Frauen aus Ost und West eingeladen, und die war schon ein bisschen befremdlich. "Wir fanden uns in der DDR ja total gleichberechtigt. Aber dann haben wir gemerkt, ganz so war’s ja nun auch nicht. Aber so bin ich damals rangegangen - und das sollte erhalten bleiben."

Die Realität hat das inzwischen klargestellt, deshalb bleibt wohl noch so einiges zu tun. Doch Ines Chlebowski und ihre Frauen haben bereits deutschlandweit einiges vorzuweisen. Große, feste soziale Netzwerke haben sie geknüpft. Von Wolfen ging die Initiative für die Einrichtung der Frauenhäuser in Sachsen-Anhalt aus. Und auch, wenn es um Gesetzesinitiativen geht, wiegt das Wort der Wolfener. "Es lohnt sich, was zu tun", weiß die Leiterin des Frauenhauses. "Was gibt es schöneres als strahlende Kinderaugen. Aber auch wenn Frauen, die gebrochen zu uns kommen und nach meist längerer Zeit bei uns selbstbewusster in ein neues Leben gehen - das berührt uns alle immer wieder."