Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Das Gespür für Holz bleibt ein Leben lang
RAGUHN/MZ. - Eine Truhe ist geblieben - made by Lothar Heidel. "Mehr nicht", überlegt der Raguhner. "Nein, mehr nicht."
Als die Flut im Jahr 2002 auch das Haus von Lothar und Rosel Heidel erreichte, war nichts mehr wie früher. Das Wasser nahm nicht nur ihnen die Erinnerungen. Davon gab es reichlich im Haus vis á vis der Stadtkirche St. Georg. Der gelernte Bau- und Möbeltischler hat fast die komplette Inneneinrichtung mit seinen Händen gefertigt. Nachdem das Wasser gegangen war, blieb eben nur noch diese Truhe, die das Ehepaar ins Trockene rettete und jetzt hütet.
Für Lothar Heidel und seine Frau wird jene Zeit unvergessen bleiben. Es war nicht einfach, sich vom Mobiliar zu trennen, das einst in mühevoller Handarbeit entstand. "Doch für wen war die Zeit damals schon einfach", sagt er. Aber es musste weitergehen. Auch für Lothar und Rosel Heidel. Mittlerweile ist der Raguhner 74 Jahre alt. Das Handwerk an den Nagel zu hängen, daran hat er noch keinen Gedanken verschwendet. In seiner Werkstatt, die er sich direkt am Haus eingerichtet hat, grübelt, hobelt, sägt der Fachmann immer noch. "So lange es geht", steht für Heidel fest. Seit elf Jahren ist der Mann mit dem Gespür für Holz im Gemeindekirchenrat. Eine Symbiose, die der 74-Jährige nicht mehr missen möchte. In so mancher Kirche hat Heidel seine Visitenkarte hinterlassen.
Das, was der Raguhner macht, ist ehrenamtlich. Zeit ist vonnöten, Fingerspitzengefühl - beides hat der Rentner. Aus Schierau ließ er sich die Torflügel in die Werkstatt bringen. 40 Stunden mögen es schon gewesen sein bis zum Abschluss der Arbeiten, schätzt Heidel. Als im Priorauer Gotteshaus die Kirchenbänke teilweise durch den Fußboden brachen, gab's für den Raguhner keine Zeit zum Nachdenken, er handelte. Neue Fußteile wurden angefertigt, der Fußboden, in dem die Feuchtigkeit steckte, erneuert. In Kleckewitz fasste er den Eichenrahmen für ein neues Rundbogenfenster und in der Stadtkirche Raguhn baute er unter anderem einen Altar, eine Garderobe und Toiletten in St. Georg ein. "Wir sind stolz auf unsere Kirchen", meint der Handwerker. In der Raguhner Kirche wird er den Weihnachtsbaum mit schmücken. Darauf freut er sich schon. Im Hause Heidel gibt es keinen Christbaum. Der stehe ja vis á vis in der Kirche.
Den Heiligen Abend wird das Ehepaar gemeinsam mit der Familie genießen - traditionell bei Kartoffelsalat und Würstchen. Wünsche zum Fest, die hat der engagierte Mann nicht. "Eigentlich bin ich wunschlos glücklich", betont er. Oder? "Ja, da ist vielleicht doch etwas", fügt er hinzu: "Dass wir beide noch lange zusammenleben." Heidel übernimmt den ruhigen Pol in der Familie. "Doch ich bin froh, so eine temperamentvolle Frau zu haben", lacht er.