Alma Toaspern aus Bitterfeld Alma Toaspern aus Bitterfeld: Wenn eine Tänzerin in den Müll springt

Bitterfeld - Da geht eine junge Frau mit Vater und Bruder an der Goitzsche spazieren. Vor einem Müllbehälter bleibt sie plötzlich stehen. Umarmt ihn. Legt sich drauf - und ist plötzlich mit dem Kopf darin verschwunden. Die herausschauenden Beine machen grazile Bewegungen. Passanten bleiben verdutzt stehen.
Alma Toaspern kennt solche Reaktionen aus Frankfurt/Main. Dort nämlich hat sie während ihres Tanzstudiums an dem Projekt ihres französischen Kommilitonen Romain Thibaud-Rose mitgewirkt: „Garbage embrace“ - übersetzt „Müll umarmen“. „Wir sind in eines der größten Bankenviertel gegangen und haben unsere Performance an den Müllkübeln präsentiert.“ Viele zeigten sich besorgt angesichts der Körper, die kopfüber in den Behältern steckten. „Als die Leute merkten, dass es sich um eine Performance handelt, wurden die Handys gezückt und Fotos gemacht“, erzählt sie.
Solche Projekte reizen die 26-Jährige, die zwar in Bitterfeld wohnt, aber selten hier anzutreffen ist. Ihre ersten Tanzschritte wagte sie schon mit fünf Jahren in einem Leipziger Kinderballett. Was ihr da bereits gefiel, ist ihr auch heute ganz wichtig: „Wir konnten immer frei tanzen und viel improvisieren.“ Auch später im Tanzstudio von Constanze Linß - und das hat ihren Werdegang um einiges geprägt. Obwohl sie ja Schauspielerin werden wollte. Doch als sie nach einem Auslandsjahr in Frankreich zum Leipziger Tanztheater von Irina Pauls stieß, gab sie das Theaterspielen, das sie ebenfalls als Hobby betrieb, endgültig auf. Und entschied sich doch für das Tanzen - als Beruf und Berufung.
Tanzen mit zwölf weißen Stäben
„Beim Studium in Frankfurt ging es um intensives Tanztraining, um Techniken, das Wirken im Ensemble.“ Doch der Bachelor für zeitgenössischen und klassischen Tanz, mit dem sie das Studium abschloss, reichte ihr nicht. Sie ging nach Brüssel, wo das Leben in der Kunstszene pulsiert. „Da war ein nicht formulierbares Gefühl von Neugier und: Das kann’s jetzt noch nicht gewesen sein.“ Beim Choreografie-Studium in Brüssel lernte sie, Herangehensweisen zu entwickeln. Aktiv zu werden als Macherin und sich mit Sichtweisen anderer, „mit denen man anfangs gar nichts anzufangen weiß“, auseinanderzusetzen. Daraus etwas Neues entstehen zu lassen, spannende Sachen zu entwickeln. „Man muss in unbekannten Situationen Strategien finden“, sagt die Künstlerin. „Das ist dann etwas eigenes - und das ist schön.“
Welche ausgefallenen Ideen Alma Toaspern noch hat, lesen Sie auf Seite 2.
Sie hat solche Projekte erarbeitet wie „Zeitfischen“, bei dem sie und Berufskollegin Elpida Orfanidou die Flugbahn eines fliegenden Pfeils mit ihren Bewegungen verändern. Sie hat in der Frankfurter Produktion „Das Labor von Menschen und Dingen“ mitgewirkt. Ein besonderes Projekt ist das Performance-Event „Scènes du Geste“ in Regie des französischen Tanzhistorikers Christophe Wavelet. Hier werden mehrere Stücke aus der Zeit der Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts rekonstruiert und in einem abendfüllenden Programm auf die Bühne gebracht. Alma Toaspern setzt dabei den „Stäbetanz“ des deutschen Bauhaus-Künstlers Oskar Schlemmer um. „Der hat damals, als Mimik und Gestik eine große Rolle spielten beim Tanz, ein Zeichen gesetzt“, so die Künstlerin. Der Tänzer ist schwarz verhüllt, an seinem Körper sind zwölf weiße Stäbe angebracht. Vor schwarzem Hintergrund sind bei der Darbietung nur diese Stäbe für den Zuschauer sichtbar - ein faszinierendes Bild. Premiere des Events war in Brüssel, im November wurde es in Paris gezeigt. Es war in Buenos Airos zu sehen und wird dieses Wochenende in Essen aufgeführt.
Und weitere Gastspiele sind geplant - ebenso wie Alma Toaspern schon viele andere Projekte in Vorbereitung hat. Eines davon, bei dem es um Fremdsein und Gastfreundschaft geht, hat am 18. August im Leipziger Loft Premiere. „Ich habe durch mein ständiges Unterwegssein schon so viel Gastfreundschaft erlebt, da ist mir dieses Thema besonders wichtig.“ (mz)
