Zivilcourage Zivilcourage: Eine Selbstverständlichkeit

Bernburg - Polizei-Azubi, Fußballer, Angler - und seit Dienstag auch ein Held: Alexander Rettinger hat einem Menschen das Leben gerettet und dabei sein eigenes aufs Spiel gesetzt. Rettinger - der Retter.
Die Geschehnisse am Mittag des vergangenen Dienstags haben sich ins Gedächtnis des 28-jährigen Bernburgers gebrannt, der sich eigentlich auf einen entspannten Tag beim Angeln eingestellt hatte. Nahe des Rosenhags steht er mit Wathose bis zum Bauch im Wasser der hier träge dahinfließenden Saale. Einen Hecht und zwei Barsche hat er bereits aus dem Fluss gefischt.
Dass sein größter Fang an diesem Tag ein Mensch sein wird, ahnt Alexander Rettinger da noch nicht. Auch nicht, als er gegen 12.30 Uhr ein Wasserklatschen hört und dann im Uferbereich direkt unterhalb der Kaimauer - etwa 200 Meter von ihm entfernt - einen Menschen im Wasser wahrnimmt. „Ich dachte zunächst, er geht baden und rief ihm zu, dass die Unterströmung sehr gefährlich ist“, lässt der junge Mann die Ereignisse Revue passieren. „Als ich kurze Zeit später wieder dorthin blickte, fuchtelte der Mann mit den Armen und rief etwas Unverständliches. Er war bereits gefährlich nahe in Richtung Hauptströmung an der Mühle getrieben“. Jetzt wird Alexander Rettinger bewusst, dass der Mann zu ertrinken droht.
Im Sprint rennt er durch den Rosenhag in Richtung Kaimauer, entledigt sich seiner Sachen und springt ins Wasser. „Ich schwamm auf ihn zu, packte ihn am Kragen und versuchte mit dem anderen Arm rudernd, zurück ans Ufer zu kommen.“ Es gelingt ihm, trotz des Widerstands des vollbekleideten 68-Jährigen, der sich offenbar umbringen will. „Ich hätte nicht geglaubt, dass ich die für den Polizeidienst notwendige Rettungsschwimmer-Ausbildung bei der DLRG tatsächlich mal anwenden muss“, sagt er.
Weitere Menschen sind inzwischen auf die Rettungsaktion aufmerksam geworden. Ein anderer junger Mann wählt den Notruf, eine ältere Anwohnerin bringt ihm ein Handtuch zum Abtrocknen und Tee. „Das war eine nette Geste“, sagt der Lebensretter, der - nachdem sich seine Heldentat herumspricht - viel Schulterklopfen erfährt. Der Senior lässt sich derweil dazu überreden, sich in die Salus-Fachklinik bringen zu lassen. Das Motiv seines versuchten Suizids muss die Polizei noch ermitteln.
Dass er sich selbst gefährdet hat, wird Alexander Rettinger erst am Abend bewusst. „Da wurde ich dann doch unruhig.“ Dennoch hält er seine Hilfe für selbstverständlich, würde immer wieder so handeln. „Auch weil ich hoffe, dass mir in einem Notfall geholfen wird.“
Seine Fußballkameraden vom SV Einheit, wo der 28-Jährige als Stürmer dem Ball nachjagt, können auf ihn ebenso stolz sein wie die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt, für die der Anlagenmechaniker, der jahrelang bei den Spezialpionieren der Bundeswehr an der Nordsee stationiert war, seit einem Jahr eine Ausbildung zum mittleren Dienst absolviert. Und ganz besonders stolz darf natürlich seine Mutter sein, deren Sohn genau an ihrem Geburtstag zum Lebensretter geworden ist. (mz)