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Videothek Videothek Lindenstraße Bernburg: Maik Müller stemmt sich gegen Netflix und Amazon Prime Video

Von Jessica Hanack 05.05.2018, 07:52
Videothek-Betreiber Maik Müller ist selbst großer Film-Liebhaber. Er empfiehlt Kunden auch mal Streifen, die weniger bekannt sind.
Videothek-Betreiber Maik Müller ist selbst großer Film-Liebhaber. Er empfiehlt Kunden auch mal Streifen, die weniger bekannt sind. Engelbert Pülicher

Bernburg - Im Jahr 1990 gehörte der Bernburger Maik Müller zu den Ersten, die in der Region eine Videothek eröffnet haben. Heute zählt er zu den Letzten, die ihr Geschäft noch betreiben. Nicht nur in der Region, sondern bundesweit.

Denn seit Jahren greift das große Videotheken-Sterben um sich. Die Zahl der Läden ist drastisch gesunken. Gab es 1990 noch mehr als 9.000 Videotheken, sind es im Jahr 2018 nur noch rund 560.

Für die Betreiber ist es schwer, mit der Konkurrenz aus dem Internet mitzuhalten. Das sagt auch Maik Müller. Wie er es schafft, weiter zu bestehen? „Mit viel Enthusiasmus.“

1990 gab es weder Netflix noch Amazon Prime

An illegale Film-Plattformen im Netz, an Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime war bei der Gründung der „Video World Bernburg“ noch nicht zu denken. Es war der 20. März 1990, als Maik Müller zum ersten Mal die Türen seines Geschäfts öffnete.

Wenige Monate nach der Wende waren Begeisterung und Andrang groß. „Damals standen die Leute noch Schlange“, erinnert sich Müller. Die Entwicklung ging rasant weiter. „In kürzester Zeit sind im damaligen Landkreis Bernburg 30 Videotheken entstanden, das war irre“, erzählt der 56-Jährige.

Es gab Filialen in Staßfurt, Aschersleben, Hettstedt und Bernburg

Er selbst, gelernter Buchhändler, hatte bis zur Wende im Antiquariat seiner Eltern gearbeitet. Die zog es dann in den Westen, Müller aber wollte in Bernburg bleiben. Als er seine Familie in Hannover besuchte, lernte er dort den Betreiber einer Videothek kennen - und hatte die Idee, selbst ein solches Geschäft zu eröffnen.

So kaufte Müller eine Videothek in Hannover, schloss diese und holte deren Bestand an Video-Kassetten nach Bernburg. Der Bekannte wurde sein Partner. „Wir sind bestimmt 20-mal hin und her gefahren, um alles hierher zu bringen“, erinnert sich Müller.

„Ich habe von Montag bis Sonntag gearbeitet“

In den folgenden Jahren eröffnete Maik Müller vier weitere Filialen in Staßfurt, Aschersleben, Hettstedt und Bernburg. Es war eine anstrengende Zeit, berichtet der Geschäftsführer, der auch vier Lehrlinge ausgebildet hat. „In den ersten zehn Jahren hatte ich viele Entbehrungen, ich habe von Montag bis Sonntag gearbeitet.“

Aber die Jahre sind Müller auch als schöne Zeit in Erinnerung geblieben. Mit den Videotheken hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. Die „Filmerei“, wie er sie nennt, habe er immer gemocht und zum Beispiel als Taucher unter Wasser Videoaufnahmen gemacht. Er schaut privat viele Filme und hat Hunderte VHS-Kassetten gesammelt. Diese Affinität zu Medien brauche man, um in der Branche zu arbeiten.

Mitte der 2000er Jahre begann es, schwieriger zu werden für Müller. Es war die Zeit, in der Websites, auf denen illegal Filme geschaut und heruntergeladen werden konnten, entstanden. „Das Internet ist hauptverantwortlich für das Sterben der Videotheken“, sagt Müller.

Auch er musste seine Filialen nach und nach schließen, nur sein Hauptgeschäft in der Bernburger Lindenstraße blieb bestehen. „Die Filialschließungen waren Rückschläge“, sagt Müller. Aber als Selbstständiger müsse man damit umgehen können. Und Ausdauer beweisen.

Junge Menschen sind keine Videothek-Kunden

Mit der Verbreitung der legalen Streaming-Dienste wie Netflix, bei denen Filme und Serien für Abonnenten auf Abruf verfügbar sind, ist die Situation nicht leichter geworden. Die Generation der 16- bis 25-Jährigen, sagt Müller, sei weggebrochen und nicht zurückzuholen.

Aber es gibt Kunden, die ihm treu geblieben sind. Manche würden aus Aschersleben oder Köthen herfahren, um Filme und Spiele auszuleihen oder zu kaufen. In sein Geschäft kommen Kinder, aber auch Senioren. „Ein Rentnerpärchen kommt alle 14 Tage und leiht zwei Filme aus. Die freuen sich dann immer“, erzählt der Bernburger.

Maik Müller, das merkt man im Gespräch, ist gerne Verkäufer. Er sagt, dafür müsse man ein „Gen“ haben. Man müsse zuhören können, aber auch kommunikativ sein. Um Filme zu empfehlen, die weniger bekannt, aber trotzdem gut sind. So wie einer seiner Lieblingsfilme, der norwegische Thriller „Headhunters.“

Noch schreibt Müller schwarze Zahlen. Das Haus, in dem sich seine Videothek befindet, gehört ihm, er spart die Miete - ein großer Vorteil. Verzweifelt ist der 56-Jährige beim Gedanken an die Zukunft nicht. Aber die Vorstellung, dass seine Videothek einmal nicht mehr existieren könnte, fällt ihm schwer. „Hier stecken 28 Jahre meines Lebens drin“, sagt er. Bereut hat Müller den Schritt, das Geschäft zu eröffnen, aber nie. Denn in all den Jahren - und bis heute - habe er zwar nicht immer, aber doch an vielen Tagen Spaß zwischen den Hunderten DVDs, Blu-ray-Discs und Konsolenspielen gehabt. (mz)

Im März 1990 hat die Videothek in der Lindenstraße in Bernburg eröffnet.
Im März 1990 hat die Videothek in der Lindenstraße in Bernburg eröffnet.
Pülicher