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Vergiftet und verätzt Vergiftet und verätzt: Mitarbeiter von Sosta in Könnern erhebt schwere Vorwürfe

Von Katharina Thormann 30.12.2018, 07:48
Auch zwei Wochen nach dem Zwischenfall liegt die Kontaminationsdusche noch am Werkseingang von Sosta.
Auch zwei Wochen nach dem Zwischenfall liegt die Kontaminationsdusche noch am Werkseingang von Sosta. Conny Schreiber

Könnern/Nienburg - Nach dem Betriebsunfall beim Edelstahlrohrhersteller Sosta in Könnern erhebt einer der Mitarbeiter nun schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsvorkehrungen in dem Unternehmen. Dieses musste nach dem Vorfall vor knapp zwei Wochen, bei dem drei Mitarbeiter verletzt wurden, vorübergehend sogar eine Produktionshalle sperren.

Denn obwohl die Feuerwehr mit Spezialausrüstung dem beißenden Geruch auf die Spur ging und erhöhte Werte feststellte, wurde die Ursache bei dem Großeinsatz mit 40 Einsatzkräften nicht gefunden. Stattdessen wurde das Unternehmen vom zuständigen Gewerbeaufsichtsamt beauftragt, die Havarie lückenlos aufzuklären. Doch worum es sich beim dem Zwischenfall gehandelt hat, ist auch jetzt noch offen.

Dafür ist sich Detlef Wittchen, seit Oktober Leiharbeiter bei Sosta, sicher: „Das ist Flusssäure gewesen!“ Sie wird auch Fluorwasserstoffsäure genannt, ist farblos, stechend riechend und hochgiftig.

Und sie ist laut Wittchen wichtiger Bestandteil bei der Bearbeitung der Edelstahlrohre. Sie werden damit in dem Werk gebeizt. Anschließend würden die Rohre in Spülwasser gereinigt. Und genau dieses Spülwasser ist dem 54-Jährigen offenbar schon eine Woche vor dem großen Vorfall zum Verhängnis geworden.

Von brennender Haut, Ausschlag, Kopfschmerzen und Nasenbluten reichen die Symptome

„Ich habe ein paar Spritzer ins Gesicht bekommen“, erzählt er vom Anfang seines Martyriums. Von brennender Haut, Ausschlag, Kopfschmerzen, Schwindel und Nasenbluten reichen die Symptome, über die zum Teil auch seine Kollegen klagten, und sich deshalb auch im Bernburger Klinikum behandeln und sich am gleichen Abend noch selbst entließen.

Doch Wittchen ging einen Schritt weiter, weil sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechterte. Starke Magenschmerzen kamen dazu. Nach Hausarzt und Notaufnahme landete er in der Uniklinik in Halle Kröllwitz. Ergebnis: „Er hatte Vergiftungs- und Verätzungserscheinungen“, erzählt seine Frau von der dort gestellten Diagnose. Es folgten eine Reihe von Blut-, Herz- und Lungentests. Sogar Vergiftungsexperten wurden zu Rate gezogen.

„Erst da habe ich realisiert, wie gefährlich die Flusssäure ist, mit der wir tagtäglich an den Spülwasserbecken zu tun haben“, sagt Wittchen. Immer wieder bestünde dort die Gefahr, mit dem kontaminierten Spülwasser in Kontakt zu kommen. Schließlich hängen die Rohre an Seilen, die von den Mitarbeitern gelöst werden müssen.

Nun ist dem Nienburger klar, dass die Arbeit an den Becken lebensgefährlich sein kann. „Vor allem, weil die Mitarbeiter dort keinen Vollschutz tragen, sondern nur eine Staubmaske“, sagt Wittchen. In seinen Augen ist das viel zu wenig. Noch problematischer findet er aber, dass das Spülwasser viel zu selten ausgetauscht wird. „Das ist dort bis zu zwei Wochen lang drin. Mit jedem Tag wird die Konzentration der Säure darin immer größer und damit auch gefährlicher“, sagt er.

Hat sich Sosta selbst strafbar gemacht?

Seiner Meinung nach hat sich damit aber nicht nur Sosta selbst strafbar gemacht, sondern auch die Zeitarbeitsfirma ZAG in Aschersleben, für die er arbeitet. Diese hatte er nach seinem Unfall über die für ihn bestehenden Missstände informiert. Doch Unterstützung bekam er nach seinen Angaben nicht. Im Gegenteil.

Stattdessen steckte einen Tag später in seinem Briefkasten ein Belehrungszettel zum Thema Arbeitsschutz. „So darf man mit der Gesundheit seiner Mitarbeiter nicht umgehen“, findet auch Wittchens Frau, die nun hofft, dass ihr Mann nicht noch an Spätfolgen zu leiden hat.

Unterdessen wird der Unfall wohl noch ein Nachspiel haben. Wie es auf Nachfrage bei der Ascherslebener Zeitarbeitsfirma hieß, wurde ein Arbeitsunfall bei Sosta angezeigt. Dem wolle man im neuen Jahr nachgehen. Für eine weitere Stellungnahme war man allerdings nicht bereit.

Bei Sosta selbst war am Freitag telefonisch keiner erreichbar. Fest steht aber, dass die Produktion wieder aufgenommen wurde. Auf dem Werksgelände erinnert immer noch das Überbleibsel der Kontaminationsdusche vom Vorfall vor zwei Wochen. Der hatte auch das Gewerbeaufsichtsamt mit Sitz in Dessau auf den Plan gerufen. So rückten laut Dezernatsleiter Guido Koste auch Mitarbeiter seines Amtes zur Vor-Ort-Begehung aus. Seinen Angaben zufolge konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen den Beschwerden der Mitarbeiter und der Arbeit mit den Gefahrenstoffen festgestellt werden.

Das mag Detlef Wittchen nicht so recht glauben. Er hat aus Angst beschlossen, dort nicht mehr zu arbeiten und stattdessen wieder nach einem Job als Bürokaufmann zu suchen. Das hat er eigentlich gelernt, wollte aber die Zeit auf der Suche nach einer neuen Anstellung sinnvoll nutzen. „Das hätte mich fast meine Gesundheit gekostet“, sagt Wittchen. (mz)