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Vereinsgründung Vereinsgründung: Das Erbe der "Fluchtburg"

10.06.2015, 17:52
Die Gründungsmitglieder um den Baalberger Michael Schuster (hockend).
Die Gründungsmitglieder um den Baalberger Michael Schuster (hockend). Privat Lizenz

Karpacz/Bernburg - Der Anfang ist gemacht, die „Fluchtburg“ ein eingetragener Verein. Ein Verein, der sich künftig für die Begegnung europäischer Kultur, vorrangig in den Bereichen Literatur, Musik und Bildende Kunst engagieren will. An seiner Spitze stehen zwei Baalberger - Michael Schuster als Vorsitzender und seine Frau Heike als Schatzmeisterin.

Zur Gründungsversammlung trafen sich kürzlich in Karpacz, einer Stadt im polnischen Teil des Riesengebirges, zehn Interessenten aus Polen, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Als Begegnungsstätte soll künftig das dortige ehemalige Wohnhaus von Gerhart Pohl dienen. Schon seit 1933 war das Haus des persönlichen Mitarbeiters von Literatur-Nobelpreisträger Gerhard Hauptmann eine - liebevoll „Fluchtburg“ genannte - Herberge für Andersdenkende. Vielen seiner Gäste konnte der Hausherr zur Emigration aus Nazi-Deutschland verhelfen. Im Sommer 1946 musste der damals 44-Jährige dann selbst die Heimat verlassen. Gemeinsam mit den sterblichen Überresten von Gerhart Hauptmann, seiner Witwe, 36 als „Hausbedienstete“ des Agnetendorfer „Wiesensteins“ deklarierten Deutschen und deren Familien sowie Teilen der eigenen Familie wurde der Schriftsteller auf Vermittlung der russischen Militärverwaltung mit einem Sonderzug nach Forst in der Lausitz gebracht. Von dort ging es über Berlin nach Stralsund und Hiddensee, wo Gerhart Hauptmann am 28. Juli 1946 seine letzte Ruhestätte fand. Die kurze, aber ereignisreiche Geschichte seines Hauses in Schlesien verarbeitete Gerhart Pohl in seinem 1955 erschienenen Roman „Fluchtburg“.

Unter anderem der Initiative des Baden-Württembergers Ulrich Junker ist zu verdanken, dass durch den Verein zur Pflege schlesischer Kunst und Kultur im Garten des Pohl’schen Domizils eine viersprachige Gedenktafel aufgestellt wurde, die Michael und Heike Schuster vor einiger Zeit überhaupt dazu bewegte, sich näher mit der Geschichte der kleinen, hölzernen Villa auseinanderzusetzen. Dabei erfuhren sie auch davon, dass das von Luise Pohl, der Schwägerin des Schriftstellers, noch bis 2006 bewohnte Anwesen zum Verkauf stand.

Nach dem Tod der fast 100-jährigen Dame war die „Fluchtburg“ in den Besitz der Kirchengemeinde übergegangen, die sich schon über viele Jahre bemüht, ein evangelisches Bildungszentrum aufzubauen, ein Gästehaus zu betreiben und ihre Kirche zu erhalten. Weil es dafür finanzieller Mittel bedarf, entschloss man sich schweren Herzens, das Haus zu verkaufen, allerdings mit dem Ziel, mit dem neuen Eigentümer die

Idee einer polnisch-deutschen Begegnungsstätte zu verwirklichen.

An dieser Stelle begann das Engagement der Familie Schuster, die von Anfang an der Meinung war, dass dieses Haus der Öffentlichkeit erhalten bleiben sollte. Nach Gesprächen mit der Verwaltung und der Kirche begann das Paar intensiv, die Idee von der Gründung eines Vereins voranzutreiben. Mit Hilfe von Ulrich Junker fanden sie bald weitere Verbündete.

Nun soll damit begonnen werden, finanzielle Mittel für den Kauf des Hauses zu beschaffen. Auch soll eine erste Tagung zum Leben und Wirken Gerhart Pohls organisiert und eine Übersetzung und Veröffentlichung einiger seiner Erzählungen in polnischer Sprache in die Wege geleitet werden. Außerdem soll unter www.fluchtburg.pl spätestens im Herbst eine Internetpräsentation zum Haus, seiner Geschichte und den aktuellen Vorhaben ans Netz gehen. „Jede weitere helfende Hand ist willkommen“, sagt Michael Schuster.

Interessenten können sich melden per E-Mail [email protected], unter Telefon 03471/314331 oder schriftlich an „Fluchtburg e.V.“, c/o Schuster Verlag Baalberge, Alter Ziegeleiweg 3 b, 06406 Bernburg. (mz/tad)