Trauben wie in Südtirol Trauben wie in Südtirol aus Bernburg: Der Wein von Walada

Bernburg - Dieter Orzessek traut seinen Augen kaum. Er schaut durch ein so genanntes Refraktometer, das den Zuckergehalt in Weinbeeren misst. 135 Oechsle hat der Cabernet Cortis, eine im Weinbauinstitut Freiburg (Baden-Württemberg) gezüchtete pilzwiderstandsfähige Rotweinsorte.
„Ich hätte nie gedacht, dass wir das in Bernburg erreichen“, sagt der Professor im Ruhestand. „Südtirol ist hier“, sagt er euphorisch.
Die zweite Weinlese
Zusammen mit sieben Helfern ist er an diesem Freitag auf dem Weinberg „Walada“ der Hochschule Anhalt mit der Weinlese beschäftigt. Es ist das zweite Mal nach der Premiere im Vorjahr.
Die Sonne scheint noch einmal kräftig, so dass allen Beteiligten die Ernte besonders viel Spaß macht. Die Trauben an den Rebstöcken auf den zwei Parzellen sind nicht besonders groß, aber dafür eben unheimlich süß.
Von 90 auf 120 Oechsle
Ähnlich sieht es bei der Weißweinsorte, deren Beeren beinahe helllila aussehen, aus. Der Souvignier Gris kommt auf beachtliche 120 Oechsle. Im vergangenen Jahr lag der Wert bei 90. Die Weinlese geht schnell voran.
Mittendrin ist der Wein-Fachmann Robert Thomale. Der 30-Jährige ist an der Hochschule im Bereich Nahrungszubereitung tätig und obendrein mit Weinbau aufgewachsen.
Seine Familie hat nahe Meißen einen Weinberg mit 500 Rebstöcken der Sorten Gutedel und Müller-Thurgau. Thomale mag die Arbeit im Freien. Außerdem fasziniert ihn, die Trauben direkt zu verarbeiten bis hin zum Endprodukt.
Tradition reicht viele Jahrhunderte zurück
Vor einem Jahr hat die Hochschule Anhalt begonnen, den ersten Wein in Waldau anzubauen. Doch die Idee dafür existiere an der Hochschule schon länger, erzählt Dieter Orzessek.
Nicht nur, dass es am Standort Köthen seit zehn Jahren das Institut für Weinforschung gibt. Die Tradition des Weinbaus im Unteren Saaletal reiche viele Jahrhunderte zurück.
„Und schon in den 90er Jahren hatte ich dazu ein Projekt mit Studenten“, sagt der ehemalige Hochschulpräsident.
Ein schwieriger aber schöner Standort
Schließlich wurde in Waldau eine geeignete, bis dahin brach liegende Fläche gefunden, die ein wenig erhöht liegt. Aber sie muss eben auch erst für den Weinbau hergerichtet werden. „Es ist zwar ein schwieriger Standort, aber es wird ein schöner Standort werden“, ist Dieter Orzessek überzeugt.
Dazu gehören längst nicht nur die Reben, die hier gedeihen sollen. Auch im Umfeld muss noch einiges getan werden.
Alles soll noch hergerichtet werden
So soll noch in diesem Jahr die Umzäunung und Bepflanzung ringsherum erfolgen. Auch die Weinbergsmauer und das Tor von der Straße müssen errichtet bzw. erneuert werden.
Dann soll ein kleiner Garagenkomplex in eine kleine Straußenwirtschaft - ein von Winzern saisonal betriebener Gaststättenbetrieb - umgebaut werden.
Schließlich sollen die Wein-Terrasse mit Pergola und Sitzfläche gestaltet werden. Von dort könnten dann auch Besucher in Zukunft bei einem Glas Wein den Blick auf Bernburg genießen.
Den Wein noch mehr erforschen
Doch der Weinbau dient natürlich nicht nur dem Vergnügen, wenngleich Orzessek um deren Wirkung beim Publikum weiß. „Wein ist immer sympathisch in der Öffentlichkeit.“
Vor allem aber möchten die Studenten der Hochschule Anhalt auf dem Gebiet des Weinbaus Forschung betreiben, etwa welchen Einfluss die biologische Vielfalt rings um die Weinreben auf eben diese hat.
Auch deshalb werden nicht die traditionellen Sorten wie Blauer Bernburger oder Roter Aderstedter angebaut. Neben den beiden genannten Sorten soll künftig noch Müller-Thurgau aufgerebt werden.
Cabernet Cortis und Federweißer geplant
Mit einer Brotzeit für die Helfer endet die Weinlese 2018. Direkt im Anschluss sollten die Trauben in Strenzfeld gepresst und dann die Gärung angesetzt werden.
Orzessek rechnet damit, dass etwa 50 Flaschen von dem Cabernet Cortis abgefüllt werden können.
Die weißen Trauben sollen indes für die Produktion von Federweißer - erster angegorener Wein mit einem Alkoholgehalt von fünf bis sechs Volumenprozent - verwendet werden.
Dieser kann nach Informationen von Dieter Orzessek schon in rund 14 Tagen verkostet werden. (mz)

