"Radbär" in der Lindenstraße Traditionsgeschäfte in Bernbrug: Der eiserne Alleinunterhalter

Bernburg - Die zweijährige Dalmatinerin Alma gehört zur Ausstattung des Fahrradladens „Radbär“ in der Bernburger Lindenstraße 22 genauso dazu wie Zentrierschlüssel, Schraubenzieher und die Luftpumpe. Und natürlich auch die Fahrräder, die neu zum Verkauf angeboten beziehungsweise repariert werden müssen.
Seit dem 1. April 2010 hat dieses Geschäft, das seit 1990 existiert, seinen Standort auf dem Fußgänger-Boulevard der Saalestadt.
Traditionsgeschäfte in Bernburg: Alles hat am 1. April begonnen
„Fast alle Dinge, die mit diesem Laden in Verbindung stehen, haben am 1. April begonnen. Auch die Gründung erfolgte vor 27 Jahren an diesem Tag sowie die Neueröffnungen nach den zweimaligen kurzen Schließungen“, erzählte Geschäftsinhaber Ingo Pernt.
Der hat zur Wendezeit mit seinem Kumpel Heinz Grohmann den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und in der Bärstraße die passenden Räumlichkeiten für einen Fahrradladen gefunden. Aus dieser Zeit stammt auch der Name „Radbär“.
Traditionsgeschäfte in Bernburg: Gemeinsam etwas auf die Beine stellen
„Wir hatten damals die Idee gehabt, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Da ich schon damals den Radsport für mich entdeckt hatte, lag die Eröffnung eines Fahrradgeschäfts nah“, berichtete der 54-jährige gebürtige Güstener, der in Bernburg aufwuchs und an der Diesterwegschule lernte.
Nach dem Besuch der POS begann Ingo Pernt eine Lehre als Landmaschinen- und Traktorenschlosser in Ilberstedt, von der er noch heute bei der Ausübung von Fahrradreparaturen profitiert.
Allerdings arbeitete er nur ein halbes Jahr in diesem Beruf und absolvierte anschließend am Institut für Lehrerbildung in Bernburg eine pädagogische Ausbildung zum Heimerzieher, mit Hilfe deren Abschlusses er von 1987 bis 1989 als Trainer beim Bernburger Ruderclub arbeiten konnte.
Ingo Pernt hatte in diesem Metier als Aktiver große Erfolge eingefahren, wurde 1986 und 1987 sogar DDR-Meister im Einer bei den Leichtgewichten. Nebenbei war er während seiner Armeezeit drittstärkster Mann der Luftstreitkräfte.
Traditionsgeschäfte in Bernburg: Plötzlich auf der Straße gestanden
Doch 1990 standen 90 Prozent der damals hauptamtlich beschäftigten Trainer plötzlich auf der Straße. Aus dem sportlichen Betreuer von Kindern und Jugendlichen wurde ein Fahrradhändler, der seit 20 Jahren in seinem Geschäft eiserner Alleinunterhalter ist.
Mitgründer Heinz Grohmann ist 1997 ausgestiegen. Auch Ingo Pernt schloss den Laden zweimal, arbeitete zwei Jahre in der Schweiz als Mechaniker in einem großen Fahrradladen in der Nähe von Zürich und dann noch zwei Jahre als Erzieher in der St. Johannis GmbH in Cörmigk.
Traditionsgeschäfte in Bernburg: Wieder für die Selbständigkeit entschieden
„Ich hatte gemerkt, dass es für mich nicht mehr so einfach war, in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Deswegen habe ich mich für die Rückkehr in die Selbstständigkeit und für meinen alten Beruf entschieden, obwohl es manchmal ziemlich hart ist“, erklärte der ehemalige Triathlet, der in dieser Sportart in den 1990er Jahre seine größten Erfolge feierte, deutscher Vizemeister im Duathlon in der Altersklasse M 35 wurde, mehrmals den Landesmeister-Titel von Sachsen-Anhalt gewann und sich 1994 für den Ironman auf Hawaii qualifizieren konnte.
Traditionsgeschäfte in Bernburg: Der Traum von einer 40-Stunden-Woche
Von einer 40-Stunden-Woche wie in einem Angestelltenverhältnis kann Ingo Pernt nur träumen. So lange kein Schnee liegt, gibt es jede Menge zu tun, wobei der Bernburger mehr über den Servicebereich als mit dem Verkauf von neuen Rädern sein Geld verdient.
Reifen, Speichen, Tretlager, Licht und Bremsen sind die häufigsten Teile am Fahrrad, die einer Reparatur eines Fachmanns bedürfen.
Traditionsgeschäfte in Bernburg: Der Kampf gegen Großanbieter
„Über Beschäftigung kann ich als Alleinunterhalter nicht klagen, zumal ich einen festen Kundenkreis habe, der regelmäßig zu mir kommt“, sagte Ingo Pernt, der sich jedoch gerade beim Verkauf von neuen Rädern harter Konkurrenz erwehren muss, wobei die beiden anderen in Bernburg ansässigen Fahrradgeschäfte nicht das Problem darstellen.
„Wir gehen uns aus dem Weg, da wir unterschiedliche Marken vertreiben. Ich habe gegen die großen Anbieter zu kämpfen. Jeder Baumarkt verkauft Fahrräder.
Früher gab es in jedem Dorf einen Tante Emma-Laden, die heutzutage jedoch nicht mehr existieren. In meiner Branche könnte es bald ähnlich aussehen.“
Traditionsgeschäfte in Bernburg: Aufgeben gibts nicht
Doch an Aufgabe verschwendet der Bernburger noch keinen Gedanken. Stehvermögen und Kampfgeist, die ihn als Sportler auszeichneten und zum Eisenmann auf Hawaii machten, sind auch seine Markenzeichen als Geschäftsmann.
Die Damaltinerin Alma, die übrigens an einem 1. April geboren wurde, möchte die Kunden des Fahrradgeschäftes in der Lindenstraße noch möglichst lange mit einem freundlichen Schwanzwedeln begrüßen.
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Läden eröffnen, wechseln den Besitzer oder ihren Standort, sie schließen wieder. Und doch gibt es sie noch - die Traditionsgeschäfte in der Region, die teilweise sogar verschiedenste Gesellschaftsformen mit- und überlebt haben. In Bernburg mehr als in den umliegenden Kleinstädten und Dörfern, die aufgrund der niedrigen Kaufkraft noch viel mehr mit der wachsenden Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen haben. Aber eben nicht jede Dienstleistung und jedes Produkt lässt sich heutzutage mit einem Mausklick online nach Hause bestellen. Was wäre das für ein Leben ohne Bäcker, Fleischer, Friseure, Modeboutique, Optiker oder Tabakhändler vor Ort?
Die MZ stellt in der Serie „Unsere Schaufenster“ einmal wöchentlich Geschäfte im Altkreis Bernburg vor, die mindestens ein Jubiläum gefeiert haben, die es also schon 25 Jahre und länger gibt. Sind Sie selbst Inhaber eines Traditionsladens oder kennen Sie einen, den die MZ in ihrer Serie bisher noch nicht vorgestellt hat? Dann rufen Sie uns doch einfach an unter Telefon 03471/ 6 52 0 210 oder schreiben eine E-Mail an [email protected] (mz)