Weltmarktführer Tierhaltung in Landwirtschaft : Millionen Ferkel bekommen Medikament aus Serumwerk Bernburg

Für die Tiere ist es nur ein kleiner Pikser. Und eine kleine Dosis. Einen Milliliter eines Eisenpräparates bekommen Zuchtferkel in der Massentierhaltung am zweiten oder dritten Tag ihres Lebens gespritzt, um Eisenmangel auszugleichen.
Für das Serumwerk Bernburg ist es ein riesiges Geschäft. 400.000 Liter Eisen-Dextran, so heißt der Stoff, will das Pharma-Unternehmen aus dem Salzlandkreis in diesem Jahr herstellen. Ein neuer Rekord. Vorstandschef Frank Kilian lässt die Zahl einen Moment im Raum stehen, dann stellt er eine kleine Rechnung an. 400.000 Liter Gesamtmenge, ein Milliliter pro Tier - die Produktion aus Bernburg reicht für 400 Millionen Ferkel.
Marktanteil bei dem Präparat liegt bei etwa 40 Prozent
Das sind die Zahlen, aus denen Weltmarktführer gemacht sind. Bei der Herstellung von Eisen-Dextran lässt das mittelständische Unternehmen aus Sachsen-Anhalt, 300 Mitarbeiter, 60 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr, die Konkurrenz rund um den Globus hinter sich.
„Unser Marktanteil liegt mittlerweile bei etwa 40 Prozent“, sagt Kilian, 60, der sich um Finanzen und Vertrieb kümmert. Knapp dahinter folge der größte Konkurrent, eine dänische Firma. Den Rest teilten sich einige kleinere Unternehmen aus Asien. In einer Nische ist nicht viel Platz.
Serumwerk wurde durch Pulmotin und Parodontal bekannt
Weltmarktführer. Da denkt man an große Konzerne. Oder an kleine Nischen-Anbieter, süddeutsche Mittelständler, die Spezial-Bauteile für die Autoindustrie fertigen. Deutsche Ingenieurskunst eben. Woran man nicht denkt: an Mittelständler aus dem Osten und Ferkel mit Eisenmangel.
Wie auch? In der breiten Öffentlichkeit bekannt sind andere Produkte des Serumwerkes - die Mundsalbe Parodontal etwa oder die Erkältungssalbe Pulmotin, mit der Millionen von DDR-Bürgern groß geworden sind.
Auch Infusionen für Kliniken und Rettungsdienste werden produziert
Daneben stellt die Firma Infusionslösungen für Kliniken und Rettungsdienste, Tier-Arzneimittel sowie Produkte rund um die Dialyse her. Im Foyer des Verwaltungsgebäudes in einem Gewerbegebiet am Stadtrand von Bernburg sind ausgewählte Produkte in Vitrinen ausgestellt - eine kleine Leistungsschau für Besucher.
„Wir stehen sehr gut da“, sagt Vorstand Kilian. Die Streitigkeiten unter Gesellschaftern, die das Serumwerk vor mehreren Jahren in die Schlagzeilen brachten und bis vor Gericht gingen, seien ausgestanden.
Das Unternehmen wachse aus sich heraus, ohne Zukäufe, so Kilian. In dieser Woche geht eine neue Produktionslinie für Akutdialyselösungen in Betrieb, in Kooperation mit einer japanischen Firma.
Neue Produktionslinie für Akutdialyselösungen geht in Betrieb
Wachstumstreiber bleibe aber das Eisenpräparat, sagt Co-Vorstand Jan Lukowczyk. Als der Chemiker, 48, 1999 beim Serumwerk anfing, wurden 15 000 bis 20 000 Liter pro Jahr hergestellt, mit vier Leuten. Lukowczyk war damals Abteilungsleiter in der Eisen-Dextran-Produktion:
„Wir waren kaum exportorientiert.“ Heute werde zwanzig Mal so viel hergestellt, 90 Prozent davon gingen ins Ausland. In den kommenden Jahren soll die Produktion noch erweitert werden. Die Zahl der Mitarbeiter in dem Bereich ist auf 20 gestiegen.
Vieles im Serumwerk läuft automatisch ab
Diese arbeiten allerdings in drei Schichten, daher sind kaum Beschäftigte in der großen Produktionshalle zu sehen. Vieles läuft hier automatisch ab. Was man sieht: große silbern glänzende Edelstahlkessel, Rohrschlangen, Ventile. Alles wirkt neu, dabei ist die Halle schon zehn Jahre alt. Es ist heiß, was aber vorwiegend an Kittel, Haube und Schuh-Überziehern liegt, die Mitarbeiter wie Gäste anlegen müssen.
Ein lautes Brummen erfüllt die Luft - das sind Pumpen, die das flüssige Eisenpräparat vor der Abfüllung unablässig in Bewegung halten und über eine Membran schicken, die unerwünschte Stoffe herausfiltert.
Ist die gewünschte Qualität erreicht, wird der Stoff in 25-Liter-Kanister abgefüllt und weltweit verschickt. Für den deutschen Markt sind zusätzlich noch kleine Fläschchen im Angebot.
Der Stoff, mit dem sie in Bernburg die weltweite Konkurrenz abhängen, ist eine dunkelbraune Flüssigkeit, die stark färbt. Das Eisen-Dextran, das unter dem Namen Gleptoferron vertrieben wird, besteht vereinfacht gesagt aus modifiziertem Zucker (dem Dextran), dem Eisen beigemischt wird.
„Das Dextran dient dazu, das Eisen dem Körper zuzuführen“, erklärt Lukowczyk, der als Vorstand für Produktion und Qualitätskontrolle verantwortlich ist.
Er ist stolz darauf, dass sein Unternehmen in dieser Sparte ganz vorne mitspielt. Dextran könnten nur drei, vier Hersteller rund um den Globus in der für das Präparat benötigten besonders hohen pharmazeutischen Qualität zur Verfügung stellen, sagt er. „Wir gehören dazu.“
Nachdem dem Serumwerk mit dem Eisen-Dextran vor zwei Jahren der Sprung auf den US-Markt gelungen war, war es quasi nur noch eine Frage der Zeit, sich weltweit an die Spitze zu setzen. „In Deutschland sind wir schon seit mehr als zehn Jahren Marktführer“, so der Chef.
Seit zwei Jahren wird das Präparat auch in den USA vertrieben
Eisen-Dextran gelte in der Ferkelzucht als bewährte Standardprophylaxe, erklärt Lukowczyk. Mit dem Mittel könne durch Eisenmangel verursachte Anämie, also Blutarmut, behandelt oder dieser vorgebeugt werden. Eine trächtige Sau werfe bis zu 18 Ferkel, viele davon seien anämisch. Zudem werde mit der Behandlung auch Minderwachstum und anderen Erkrankungen vorgebeugt.
Die Gabe des Präparates könne man daher als Tierschutz sehen, meint Finanzvorstand Frank Kilian. Doch auch die beiden Vorstände wissen, wie umstritten Massentierhaltung ist. Ist das ein Thema für das Unternehmen? Kilian sagt: „Aus dieser Diskussion halten wir uns heraus.“