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Alles auf Anfang Steakhouse White Bull bei Bernburg: Engagierter Koch in Gröna

Von Anika Berger 01.07.2018, 08:56
Tim Hintner in seiner Küche vor dem Beefer, der für jedes Stück Fleisch die perfekte Kruste zaubert.
Tim Hintner in seiner Küche vor dem Beefer, der für jedes Stück Fleisch die perfekte Kruste zaubert. Andreas Stedtler

Gröna - Mit einem Schnitt ist das Rinderfilet geteilt. Tim Hintner legt das Stück auf die silberne Küchenwaage. „Perfekt!“, entfährt es ihm. „202 Gramm.“

Schon das Abschneiden sei eine Kunst, sagt der schmale Mann mit der schwarz umrahmten Brille, der wegen einer Punktierungsstörung schon seit seiner Kindheit eine graue Stelle an der rechten Schläfe hat. Schließlich soll ein Gast, der 200 Gramm Steak oder Filet bestellt, auch 200 Gramm bekommen.

Dann lässt der Koch sanft Salz aus einer weißen Plastikbox über die Seiten des Fleisches regnen und tupft den Überschuss ab. So soll dem Filet gleich Wasser entzogen werden, wenn es in den Beefer kommt, einen offenen Gasofen, der bei 800 Grad Celsius die perfekte Kruste zaubern soll.

Tim Hintner ist einer von wenigen, der solch ein teures Gerät in Deutschland nutzt. Direkt unter der Flamme brutzelt das Fleisch für wenige Minuten, bis es dann noch für etwa 25 Minuten in den Combi-Dämpfer bei 53 Grad kommt.

Jedes Stück Fleisch, das die Küche des 23-Jährigen verlässt, soll auf den Punkt gegart sein. Tim Hintner ist Perfektionist. In sechs Jahren hat der Österreicher gleich drei Ausbildungen absolviert: Koch, Kellner und Konditor. Er ist stolz auf das, was er erreicht hat.

Steakhouse White Bull bei Bernburg: So reagiert der Koch auf Kritik im Internet

Wie er Werbung in eigener Sache macht, hat er spätestens gelernt, seitdem er sich selbstständig gemacht hat. Immer wieder betont er, wieviel Lob er bekommt von Gästen. Und falls mal ein Gast nicht lobt, nimmt der Jungkoch sich das zu Herzen.

Ein Gast habe im Internet mal sein Steak und die Kroketten, die nicht selbst gemacht sind, kritisiert. „Das hat mich sehr getroffen.“ Kritik einfach hinnehmen, das kann er nicht. Schließlich geht es um seinen Ruf. „Der Gast hat nicht auf meine Beratung gehört und sich für T-Bone-Steak entschieden, dass einfach fester ist. Und Kroketten macht doch kein Mensch selber.“ Er kaufe immer die beste Qualität.

Dass der 23-Jährige bei Kritik empfindlich reagiert, ist kein Wunder. Hat er doch sein komplettes Leben aufgegeben, um in Gröna neu anzufangen. Tim Hintner kommt aus Vorarlberg in Österreich, einer Region, die bekannt für Käse ist. Seine Großmutter arbeitete dort in einer Käserei. „

Ich habe ihr immer gerne zugeschaut beim Kochen“, erzählt er. „Es hat mich einfach fasziniert, wie man mit einfachem Essen den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann“. Schon als Kind sei sein Berufswunsch deshalb Koch gewesen und Hauswirtschaft sein Lieblingsfach.

White Bull bei Bernburg: Chef des Steakhauses sammelt Kochbücher

Bis heute sammelt er Kochbücher. Über 100 Stück hat er, viele von seinen Vorbildern Jamie Oliver, Gordon Ramsay und Tim Mälzer. In Österreich habe er erst in einem Traditionsgasthaus seine Ausbildung begonnen und dann gewechselt, um in einem anderen Haus noch Kellner dazuzulernen. „Nur Koch zu sein, war für mich zu wenig. Ich brauche mehr Herausforderung.“

Seine Eltern unterstützen Tim Hintner., obwohl sie selbst aus anderen Bereichen kommen. Vater und Bruder arbeiten für eine Firma, die Teile für Rennautos oder Flugzeuge baut. Seine Mutter ist bei der Gemeinde in der Verwaltung. Und der Sohn arbeitet mit Messern, die er von der Familie zum Abschluss bekommen hat.

Dass es ihn von dieser Urlaubsregion nach Gröna verschlagen hat, mag für einige unglaublich klingen. „Bei uns sind die Dörfer so groß wie Bernburg“, erzählt er. Doch die Liebe zu seiner Freundin, die aus Gröna stammt, war der Grund für den Ortswechsel.

Tim Hintner hat sich hier gleich wohl gefühlt. „Als ich das erste Mal hier war, habe ich das Salzbergwerk gerochen“, erzählt er. „Warum riecht es hier so nach Meer?“, habe er seine Freundin gefragt. Sofort waren Urlaubsgefühle da.

Eigentlich wollte er hier Hotelmanagement studieren. Als sich aber die Möglichkeit eröffnete, den alten Gasthof des Örtchens wiederzubeleben, änderte er seine Pläne. „Ich habe auch gemerkt, dass die Leute wollten, dass hier wieder Leben reinkommt.“ Sogar das Angebot, in einem Sternerestaurant zu arbeiten, habe er dafür ausgeschlagen.

Tim Hintner wollte einen Neustart ohne Altlasten. Auch deshalb wollte er nicht den Namen „Zum Schlehdorn“ übernehmen, den das Gasthaus früher trug. Schon mehrere Jahre stand das Haus leer. „Es tat mir selber weh, den Namen zu ändern“, sagt der Gastronom. Doch mit dem alten sei sein neues Konzept nicht aufgegangen und so habe er beim Gemeinderat nachgefragt, ob er den Namen ändern könne.

Dass sagen die Menschen in Gröna bei Bernburg zum Steakhaus White Bull

Heiko Rausch wohnt direkt neben dem „White Bull“. Wie viele der über 500 Einwohner des Örtchens hätte er es lieber gehabt, wenn wieder eine Dorfkneipe und kein modernes Steakhaus eröffnet hätte. Als er gerade den Pinsel ansetzt, um dem Sims seines Häuschens einen neuen Anstrich zu verpassen, zeigt er auf sein schnoddriges Arbeits-Shirt und sagt: „So kann man da ja nicht hingehen.“ Das Restaurant sei viel zu schick und zu teuer. Ausprobiert habe er es, wie viele andere, aber noch nicht.

Doch eine deutsche Dorfkneipe zu eröffnen, das sei bei einem jungen Österreicher nicht authentisch, sagt Tim Hintner. „Ich liebe gutes Fleisch“, sagt er. Da sei das Steakhaus-Konzept perfekt gewesen.

Dass er dafür auch vor allem auf Gäste aus der ganzen Region und darüber hinaus setzen müsse, habe er von Anfang an gewusst. Die Laufkundschaft, die es in der Stadt geben würde, fehlt in Gröna. Umso mehr komme es auf Mund-zu-Mund-Propaganda an. Zwar hat Hintner schon Stammgäste, auch Genießer aus der ganzen Region, bis nach Leipzig und Magdeburg. Auch Ministerpräsident Rainer Haseloff sei schon da gewesen und hätte seine Küche gelobt, erzählt er.

Und seit Anfang Mai hat er auch den angeschlossenen Saal eröffnet und kann Festlichkeiten für bis zu 100 Gäste veranstalten. Doch muss sich der junge Gastronom immer etwas einfallen lassen.

Hintners Gäste haben sich dörfliche Speisen gewünscht. Seine Karte hat er deshalb schon angepasst. Zudem will er bald auch Wochenkarten anbieten mit saisonalem Essen. Ein Highlight sollen regelmäßige österreichische Wochen sein, in denen Traditionsgerichte wie Topfenknödel, Kaiserschmarrn oder Käsespätzle auf den Tisch kommen. Natürlich mit Zutaten, die er extra aus seiner Heimatregion bestellt. Viele Gäste hätten sich das gewünscht.

„Und die Leute wollen, dass ich auf sie schaue.“ Er wolle in Gröna etwas schaffen, das eine gewisse Lebensdauer hat. „Mir gefällt es hier, sonst wäre ich schon lange weg.“ Aufgeben kommt deshalb nicht infrage. Denn Hintner hat einen Traum. „In ein paar Jahren soll das hier vielleicht von alleine laufen – mit einem kleinen Team, dass ich dann nur noch führen muss.“ (mz)

Das Steakhaus „White Bull“ .
Das Steakhaus „White Bull“ .
Anika Berger