Stadträte in Kirchen-Ruine Stadträte sind sich einig: Die rote St. Stephanskirche in Bernburg-Waldau muss erhalten bleiben
Bernburg - Die meisten kennen sie nur vom Vorbeifahren von außen, wenn man den Norden Bernburgs passiert. Eingestürztes Dach mit grünem Netz behangen, damit nicht noch weitere Ziegel herunterkrachen. Zu retten scheint von der roten St. Stephanskirche in Waldau nichts mehr.
Oder vielleicht doch? Einen seltenen Blick ins Innere haben in der vergangenen Woche die Mitglieder des Bau- und Sanierungsausschusses und weitere Mitglieder des Stadtrates in das einstige Gotteshaus werfen dürfen.
Aus gutem Grund. Denn sie werden es sein, die über das Schicksal der entweihten Kirche, die die Stadt vor fünf Jahren zum Schnäppchenpreis von 2.480 Euro ersteigerte, entscheiden müssen.
Abriss, sichern oder sanieren?
Abriss, gesicherte Ruine oder Komplettsanierung? Alle drei Möglichkeiten stehen im Raum und wurden in einer in Auftrag gegebenen Studie näher unter die Lupe genommen. Ergebnis: Allein ein Abriss würde die Stadt rund 400.000 Euro kosten. Eine Notsicherung des Daches, die voraussichtlich die nächsten zehn Jahre halten dürfte, beläuft sich auf 600.000 Euro.
Doch die Stadtverwaltung selbst favorisiert Variante drei. Das geht aus der Beschlussvorlage hervor, über die die Ratsmitglieder bei der Besichtigung in der Kirche und im Anschluss im Rathaus weiterdiskutiert haben.
Demnach wird eine Rohbau-Sicherung bevorzugt, die für 840.000 Euro die Nutzung zu Veranstaltungszwecken ermöglicht und zuvor ein dauerhaftes neues Dach auf das Gebäude kommt. Damit wäre Zeit gewonnen, um nach einem Investor und einem langfristigen Nutzungskonzept zu suchen.
„Kommt man hinein, ist man sofort beeindruckt“, sagt OB Schütze
Auch für Bernburgs Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos) ist das die beste Variante mit Blick auf das für ihn erhaltenswerte Gotteshaus. Darum waren für ihn die Reaktionen der Stadträte während der Besichtigung keine Überraschung: „Wenn man die Kirche von außen sieht, denkt man sofort an einen Abriss. Aber kommt man hinein, ist man sofort beeindruckt. So ging es mir auch.“
Denn anders als erwartet ist das Gotteshaus im Inneren noch sehr gut erhalten. Zwar fehlen die Fensterscheiben, dafür kaum einer der unzähligen massiven Steine, die in den Wänden und Pfeilern verbaut wurden. Auch das Gewölbe ist vollständig. Warum das so ist? „Für den Bau der Kirche wurde sehr gutes Material verwendet. Vor allem bei den Ziegeln und dem Mörtel“, sagt Jörg Kowalski vom gleichnamigen Architektur- und Ingenieurbüro, das den Auftrag für die Variantenuntersuchung bekam.
Architekt Jörg Kowalski lobt die solide Bauweise von der St. Stephanskirche
Und das sei der Grund, warum noch kein Loch zum Himmel klafft und selbst ein Teil der originalen Deckenmalereien noch erhalten sind. Und das, obwohl die Kirche bereits seit den 1970er Jahren nicht mehr genutzt wird und Witterung und auch Vandalen zwischenzeitlich ausgeliefert war.
In Anbetracht des guten Zustands im Inneren waren sich die Räte ohne Gegenstimme einig: Dieses Gebäude muss erhalten bleiben. Allerdings ist noch unklar, wie die Stadt die nötigen 840.000 Euro aufbringen will. Aus eigener Kraft ist das in Anbetracht der weiteren Baustellen im Schloss und dem Kurhaus nicht möglich.
Deshalb machten die Ausschussmitglieder den Weg frei, das Fördergebiet auf die Waldauer Kirche auszuweiten, um rechtzeitig zum Jahresende Fördermittel beantragen zu können. „Wir treffen damit heute keine Entscheidung, setzen uns aber ein Ziel“, brachte es Ausschussvorsitzender Hartmut Zellmer (CDU) auf den Punkt. Denn Fakt ist auch: Tief in die Tasche greifen muss die Stadt für alle Varianten. Denn für einen Abriss gibt es keinen Cent Unterstützung. (mz)