Serumwerk Serumwerk: Auf der Spur von "Pulmotin"

bernburg/MZ - Der Mann schiebt seine Melone ein Stück nach oben. Jetzt kann er die Hochregale voller Medikamente richtig sehen. Ja Moment, sieht der Mann nicht aus wie Charlie Chaplin? Tatsächlich scheint der wohl berühmteste Stummfilmschauspieler der Welt zum Tag der offenen Tür im Bernburger Serumwerk gekommen zu sein. Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend, aber es handelt sich nur um ein Double: Stefan Choné ist in die Rolle Chaplins geschlüpft - und mit seiner Verkleidung mit Sicherheit der auffälligste Besucher an diesem Sonntag.
Vermutlich hätte aber auch der echte Charlie Chaplin über die modernen Anlagen, die täglich große Mengen an Arzneimitteln herstellen und das riesige Lager gestaunt: Bis zu zwölf Meter hoch werden die Arzneimittel im Lager des Bernburger Serumwerkes gestapelt.
Nicht weit vom Lager entfernt werden die Salben produziert. In einer eher unscheinbaren Halle werden Emulsionen, Gels und Pasten zusammen gerührt. Das geschieht allerdings nicht von Hand, sondern maschinell, wie von der Meisterin in dieser Abteilung Romy Rose zu erfahren ist. An diesem Tag jedoch wird nicht gearbeitet. Normalerweise werden in der so genannten Salbenprozessanlage die Inhaltsstoffe, und, je nach Bedarf, anteilig Wasser vermischt. Das entstandene Gemisch wird anschließend entweder in Dosen oder Tuben abgefüllt. In der Tubenabfüllmaschine etwa können Mengen zwischen sechs und 100 Gramm abgefüllt werden. Hier wird also auch die berühmte „Pulmotin“-Salbe, die gegen Husten und Halsschmerzen hilft, hergestellt und in Tuben gepresst. Jeweils 40 Verpackungen werden am Ende mit einer Folie zusammen geschweißt.
In einem anderen Gebäude werden die flüssigen Arzneimittel hergestellt. Auch hier stehen am Sonntag die Maschinen still. Schon allein wegen der Hygiene. Allein an normalen Werktagen müssen die Mitarbeiter strengste Auflagen erfüllen, wie Martin Ahlmann, Meister im Bereich Liquida, sagt. Es gebe in diesem Bereich verschiedene Reinheitsstufen, die Mitarbeiter müssten sich mehrmals umziehen. Der größte Teil - etwa 80 Prozent - der flüssigen Arzneimittel werden für die Tiermedizin produziert. Eines der bekanntesten Produkte ist „Ursoferran“ (Eisendextran), ein Mittel gegen den Eisenmangel bei Ferkeln. Das Serumwerk sei der zweitgrößte Hersteller dieses Mittels weltweit, so Ahlmann. Er zeigt die Flaschenwäsche und den Sterilisationstunnel, in dem die Flasche auf 300 Grad Celsius erwärmt wird, die Sterilabfüllung, in der nicht nur das Produkt, sondern auch der Mitarbeiter und die Luft permanent überprüft wird („Bevor nicht alles kontrolliert wurde, geht hier nichts raus“) und die Etikettiermaschine. Hier werden neben dem Produktnamen auch die Chargennummer und das Haltbarkeitsdatum aufgedruckt. Schließlich werden die Flaschen verpackt, das Gewicht ein letztes Mal überprüft und mehrere Packungen mit einer Folie zusammen geschweißt. Etwa 20 000 Flaschen à 100 Milliliter werden in diesem Bereich täglich hergestellt. Neben den Salben und flüssigen Arzneimitteln werden im Serumwerk auch Infusionsbeutel für die Humanmedizin sowie Hydroxyethylstärke (HES) - der Wirkstoff dient als Volumenersatzmittel bei hohen Blutverlusten - hergestellt. Auch das Wasser für die Injektionszwecke und der für die Produktion benötigte Dampf wird auf dem Gelände selbst erzeugt.
Monika und Werner Nick aus Bernburg zeigen sich von den Anlagen beeindruckt. „Wir waren noch nie hier“, sagt Monika Nick. Und sie haben sich alles, soweit möglich, angesehen. „Sonst kommt man ja hier nicht rein.“ Am interessantesten war für sie die Salbenproduktion. Für Martina Mayer hat der Besuch im Serumwerk schon Tradition. „Das ist wie so ein kleines Familientreffen“, bemerkt die Peißenerin. Schon ihre Tante hat hier gearbeitet und auch heute ist eine Verwandte von ihr im Serumwerk beschäftigt. Und überhaupt, treffe sie hier immer auf nette Menschen, bemerkt Martina Mayer. Obwohl sie das Werk nun schon einige Male besichtigt hat, entdeckt sie doch immer wieder etwas Neues. Genau das sei das Ziel an einem solchen Tag, sagt Helge Fänger, Vorstandschef der Serumwerk AG Bernburg. Hauptsächlich sei dieser zwar für die Mitarbeiter gedacht, um sie über die Neuerungen im Werk zu informieren „Aber auch alle anderen Bernburger sind eingeladen, sich bei uns umzuschauen“, sagt Fänger. So erfahren Mitarbeiter und Gäste, dass die Syntheseanlage in diesem Jahr noch einmal erweitert wurde. „Im vergangenen Jahr haben wir die Kapazitätsgrenze erreicht“, erklärt Fänger. Heißt in Zahlen: 2012 wurden 200 000 Liter Eisendextran hergestellt. Daher wurden in diesem Jahr noch einmal zwei Millionen Euro investiert.
Generell zeigt sich der Chef des Serumwerkes zum Ende des Tages sehr zufrieden. Es seien sogar noch mehr Besucher als beim letzten Mal gewesen, so Fänger. Genaue Zahlen kann er nicht nennen, aber es seien mit Sicherheit „weit mehr als 500 Besucher“ gewesen, die sich auf dem Gelände umsahen und im Festzelt einen Imbiss zu sich nahmen.

