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Schrittmacher fürs Leben draußen

Von Kathrin Steinmetz 21.06.2006, 19:18

Bernburg/MZ. - Dass die Bewohner des alten Backsteinhauses in der Außenwohngruppe tatsächlich viel zu verarbeiten - und zu verzeihen - haben, dafür spricht auch die Zurückhaltung ihrer Betreuer, wenn es um die Verhältnisse geht, aus denen die jungen Menschen stammen. Mit Verweis auf den Datenschutz sagt Teamleiterin Jutta Stutz nur: "Wir geben hier bis zu zehn Kindern und Jugendlichen alles, wofür eigentlich die Familie da sein müsste."

Wer täglich die drei Etagen im Haus hoch- oder runtersteigt oder in einem der in sanften Farben gestrichenen Zimmer hockt, ist zwischen 9 und 17 Jahren alt. Da eines der Ziele darin besteht, die Jugendlichen fit für das Leben zu machen, müssten sie schon "sehr früh", wie Jutta Stutz findet, selbstständig werden. "Mein Sohn wäscht mit 26 noch nicht seine eigene Wäsche, hier lernen es die Jungs und Mädchen mit 13 oder 14." Letztlich, meint die 50-Jährige, sei das schon auch traurig.

"Aber wir machen es doch gern", wirft Patrick Drechsler ein. Der Teenager wohnt seit drei Jahren in der Gruppe, und ist sichtlich glücklich dort. Die Regeln - wie Zeiten für Hausaufgaben und die allabendliche Heimkehr - seien zwar streng, aber durchaus einhaltbar. Seit einiger Zeit besucht der 14-Jährige auch einen Psychologen und ist selbst überzeugt, dass ihm diese Stunden und die Chance, mit Erzieherinnen statt der Familie zu leben, seither sehr gut tut. "Früher war mir echt alles egal. Schule, die Lehrer - ich konnte niemanden leiden oder respektieren." Heute ist er sogar fest entschlossen, seinen Realschulabschluss nachzuholen. "Ich glaube", stimmt auch Bewohnerin Miriam Lutze zu, "wir sind irgendwie weiter als die anderen in unserem Alter." Weiter zumindest als diejenigen, die alles bekommen und keinen Regeln folgen müssen. "Später schenkt uns doch auch keiner mehr etwas."

Das 17-jährige Mädchen muss sich im Sommer von Betreuerin "Strutzi" und allen anderen verabschieden. Sie beginnt eine Lehre als Arzthelferin in Hannover. Einsamkeit fürchte sie nicht, via Telefon bleibt der heiße Draht zu ihren "Ersatzeltern". Dennoch quälten Miriam manchmal Ängste, im Leben außerhalb der schützenden Wände zu scheitern, seit die Zusage für Hannover gekommen ist. Dank der liebevollen Ermutigung ihrer Betreuer hat sich diese Sorge gelegt. "Ich bin doch jetzt alt genug."