Roboter auf dem Feld Roboter auf dem Feld: Bauern starten mit Ackerbau 4.0

Strenzfeld - Beteigeuze ist zu schwer. Sie haben ein Kantholz mit einem Motor für die Unkraut-Entfernung angebaut, seitdem sinkt der Roboter am Heck in den Erdboden. Da müssen sie wohl noch mal tüfteln.
Sie schleppen Beteigeuze, benannt nach dem gleichnamigen Stern, in ein großes weißes Zelt. Biertischgarnituren voller Rechner und allerlei technischem Gerät, viele konzentriert arbeitende junge Männer.
Ein bisschen sieht es aus wie bei einem Hacker-Treffen. Anton Schirg, Informatik-Student, beugt sich über den fahrbaren Roboter mit seinen vier Rädern: „Die Unkraut-Erkennung funktioniert noch nicht so richtig.“
Ackerbau 4.0 bei den Feldtagen: „Treffpunkt Rübe“
Schirg, 21, lange Rastazöpfe, gehört zum Verein „Kamaro Engineering“, eine Gruppe von Studenten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Mit Teams 15 anderer Hochschulen aus dem In- und Ausland, darunter aus Mexiko und Ägypten, messen sie sich in einem Wettbewerb: Wer hat den besten Roboter für den Einsatz in der Landwirtschaft gebaut?
Das weiße Zelt, das den Mannschaften als Basislager dient, steht auf dem Gelände des Pflanzenbauzentrums der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) in Strenzfeld bei Bernburg.
Dort lädt die DLG seit Dienstag zu ihren Feldtagen. Eine Leistungsschau der Branche: drei Tage, mehr als 400 Aussteller in zig Sparten - von „Anbauverfahren und Feldversuche“ bis zu „Zusatzstoffe und Netzmittel“. Es gibt den „Treffpunkt Rübe“, das „Fachforum Ökolandbau“ oder die Geräte-Vorführung „Pflanzenschutzspritzen im Praxisvergleich“.
Was aber hat all das mit Robotern zu tun?
Wer eine Antwort auf diese Frage sucht, ist bei Hubertus Paetow richtig. Roboter für die Landwirtschaft, in der Branche sprechen sie von Feldrobotern, seien nichts anderes als autonom fahrende Landmaschinen, sagt der DLG-Präsident.
Diesen sagt Paetow eine große Zukunft voraus: „Die Technik ist ausgereift.“ Was noch fehle, seien Lösungen für „Sicherheitsfragen“, also etwa für die Verhütung von Unfällen. Und gesetzliche Regelungen für den Einsatz. „Das ist nicht anders als beim selbstfahrenden Auto.“
In einem kleinen Rahmen ist autonome Technik schon heute Standard: Im Obstbau etwa würden schon seit zehn Jahren automatisch Pflanzenschutzmittel gespritzt, so Paetow.
Doch wann werden Roboter im großen Stil auf den Feldern zu sehen sein? „Das wird Schritt für Schritt gehen“, meint der gelernte Landwirt und Agrarwissenschaftler und nennt ein Beispiel - die Unkrautbekämpfung bei sogenannten Hackfrüchten, etwa Kartoffeln oder Mais.
Der Boden, auf dem sie wachsen, muss regelmäßig bearbeitet- sprich: gehackt - werden, um unerwünschte Unkräuter klein zu halten. „In fünf Jahren werden das autonom arbeitende Maschinen erledigen“, prophezeit Paetow.
Landwirten fehlt es an Fachkräften
Für ihn ist der Einsatz von Robotern nur ein Beispiel für die Digitalisierung, die auch in der Landwirtschaft längst mehr ist als ein Schlagwort. „Alle Bereiche sind betroffen“, sagt der DLG-Präsident, „von der Technik über die Verwaltung bis hin zu neuen Geschäftsmodellen in der Vermarktung.“
Moderne Züchtungstechnologien etwa seien ohne digitale Hilfe gar nicht möglich. Insektizide könnten dank Digitalsteuerung gezielt auf einzelnen befallenen Pflanzen angewendet werden statt den gesamten Acker zu besprühen.
Das klingt nach Verheißung. Doch was wird aus den Menschen, die jetzt noch auf dem Traktor oder im Mähdrescher sitzen? Werden ihre Jobs über kurz oder lang wegfallen? Nein, meint Paetow. Im Gegenteil, er sieht in der Digitalisierung eine Chance, dem Fachkräftemangel in der Landwirtschaft zu begegnen. „Landwirtschaft ist ein Saison-Geschäft. Da ist es immer schwierig, Leute zu finden.“
Paetow vergleicht die Digitalisierung auf dem Acker gerne mit der sogenannten Industrie 4.0 - also der jüngsten Stufe der industriellen Produktion, bei der jeder Arbeitsgang, jedes Werkstück mit Daten hinterlegt ist. So sollen Produktionsprozesse effektiver ablaufen. „Wir schauen da genau hin, welche Anwendungen auf die Landwirtschaft übertragbar sind.“
Für den Feldroboter Beteigeuze und seine Kollegen in Strenzfeld ist es noch ein weiter Weg bis dahin. In dem von der Universität Hohenheim (Baden-Württemberg) organisierten Wettbewerb konkurrieren die von Studenten-Teams konstruierten Gefährte um die überzeugendsten technischen Lösungen für die Praxis. Dazu müssen sie zuerst einmal einigermaßen unfallfrei fahren können.
Landwirtschaft 4.0 bei den Feldtagen in Strenzfeld: Plattgefahrene Pflanzen
Der Wettbewerb besteht aus mehreren Stufen. Die Roboter müssen die Pflanzenreihen eines kleinen Maisfeldes durchfahren ohne anzuecken. Sie müssen „Unkräuter“ erkennen und diese in einer weiteren Runde aufnehmen.
Als „Unkräuter“ dienen dabei sogenannten Golf-Tees. Das sind kleine blaue und rote Kunststoff-Stifte, auf die ein Golfball aufgelegt wird, um abgeschlagen werden zu können. Sie werden zwischen die Maispflanzen gesteckt. Aus dem Boden gezogen werden dürfen aber nur die roten Stifte, die Roboter müssen also auch Farben unterscheiden können. Um die Aufgaben zu erledigen, sind Beteigeuze und seine Konkurrenten mit Kameras und Sensoren ausgerüstet.
Die Erfolgsquote bei der „Unkrautbekämpfung“ beziffert Anton Schirg vom Karlsruher Institut für Technologie, einer der Konstrukteure von Beteigeuze, auf 50 Prozent. Da ist also noch Luft nach oben. Immerhin: Das unfallfreie Fahren klappt schon ganz gut. Zumindest bei den Karlsruhern. Andere haben auch in dieser Disziplin noch Schwierigkeiten. Davon zeugen plattgefahrene Maispflanzen auf einem kleinen Übungsfeld. (mz)
