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Reinhard Gutenmorgen Reinhard Gutenmorgen: Der Herr der Lüfte

Von Torsten Adam 02.06.2020, 13:56
Reinhard Gutenmorgen flog in Interflug-Uniform auch Agrarflugzeuge des tschechischen Typs Z37, der „Hummel“, die auf dem Campus-Gelände der Hochschule Anhalt ausgestellt ist.
Reinhard Gutenmorgen flog in Interflug-Uniform auch Agrarflugzeuge des tschechischen Typs Z37, der „Hummel“, die auf dem Campus-Gelände der Hochschule Anhalt ausgestellt ist. Engelbert Pülicher

Bernburg - „Wir sind teilweise nur in einem Meter Höhe über die Äcker geflogen, so dass wir die Kartoffelkäfer auf den Blättern sahen“, sagt Reinhard Gutenmorgen. Der Bernburger, der heute seinen 68. Geburtstag feiert, kann eine Menge interessanter Geschichten erzählen über seine Zeit als Pilot.

66.000 Mal ist er vom Boden abgehoben, absolvierte allein bis zur Wende 55.000 Flüge als Agrarflieger. 13.500 Stunden seines Lebens verbrachte er in der Luft - das sind zusammengerechnet mehr als anderthalb Jahre.

In einer Arbeitsgemeinschaft, Flugzeugmodelle gebastelt

Sein Faible für die Fliegerei entdeckte der gebürtige Peißener in der Heinrich-Heine-Schule. 1961 mit Eltern und zwei Geschwistern nach Bernburg gezogen, begann er in einer Arbeitsgemeinschaft, Flugzeugmodelle zu basteln. Im Alter von 15 Jahren beobachtete Gutenmorgen bei einer Radtour auf dem Akazienberg bei Gröbzig, wie ein Segelflugzeug geschleppt wurde. „Da hatte ich richtig Feuer gefangen.“

Schnell seinen Berufswunsch gefunden

Er meldete sich bei der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) und wusste sehr schnell, welchen Berufswunsch er hat, als er einen Doppeldecker-Agrarflieger auf dem Akazienberg sah. „Ich lernte dann im Sodawerk BMSR-Mechaniker, weil solch ein Beruf Voraussetzung sein sollte.“

Doch das genügte nicht, die Interflug verlangte einen Fachschulabschluss in der Landwirtschaft. Gutenmorgen machte ihn in Neugattersleben, ließ sich parallel drei Tage lang in Berlin-Schönefeld auf Herz und Nieren testen - und wurde als einziger von acht Kandidaten angenommen.

So begann er 1975 an der Betriebsakademie der Interflug in Leipzig-Mockau die Ausbildung zum Agrarpiloten. Ein Jahr später durfte er endlich raus auf die Felder, zunächst im Bezirk Rostock, nach dem Grundwehrdienst heimatnah bei Ehefrau Beate und den zwei Söhnen.

„Zu 75 Prozent streuten wir Düngergranulate, sprühten aber auch Pflanzenschutzmittel, halfen bei der Aussaat und der Bekämpfung von großen Waldbränden.“ Den spektakulärsten Einsatz gab es 1988 bei Weißwasser. „Wir legten mit einer Art Fit-Lösung Brandschutzstreifen, um ein Übergreifen auf die Neubausiedlungen zu verhindern.“

Außenstelle einer Flugschule gegürndet

Nach der Wende brach die DDR-Fluggesellschaft zusammen. In Hannover traf Gutenmorgen zufällig einen Ex-Kollegen, der im Agrarflieger durch den Eisernen Vorhang geschlüpft war, und folgte dessen Rat, sich seine Erfahrung als Fluglehrer zunutze zu machen.

1992 gründete er in Aschersleben die Außenstelle einer Jüterboger Flugschule, übernahm sie zwei Jahre später. Weit über 100 Schülern brachte Gutenmorgen in seinen beiden Cessnas das Fliegen bei. Bis zum Jahr 2010. Dann hatte er die Nase voll von den neuen EU-Vorschriften, die ihm die Arbeit immer schwerer machten. „Meine Familie war sowieso froh, mich öfter an den Wochenenden zu sehen.“ Ganz von der Fliegerei hat er aber bis heute nicht gelassen.

Als Charterpilot für das Serumwerk unterwegs

Der 68-Jährige ist als Charterpilot fürs Serumwerk unterwegs, fliegt durch halb Europa. Für den Flugsportverein Aschersleben ist er als Lehrer tätig, wollte eigentlich bei den Segelflug-Weltmeisterschaften im Juli in Stendal, die Corona zum Opfer fielen, als Schlepppilot dabei sein. Und für die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung prüft er als Regionalbeauftragter Absturzstellen wie zuletzt im März in Hoym und Gotha. Selbst sei er nie in eine brenzlige Situation geraten, auch dank der sehr guten Ausbildung.

Seinen Familiennamen trägt er übrigens nicht, weil er ein freundlicher Mensch ist. „Meine Vorfahren waren Landvermesser, die große Schritte machten, also einen guten Morgen Land vermaßen.“ (mz)