Notfall-Geburt Notfall bei Geburt im Tiergarten Bernburg: Tierarzt Jens Thielebein vom Zoo Halle rettet Kamel-Fohlen und Mutter

Bernburg - Marianne hat sich für ihre Niederkunft einen schönen Frühlingstag ausgesucht. Die Sonne strahlt ungetrübt vom azurblauen Himmel, in den Bäumen zwitschern eifrig die Vögel. Das Drama, das sich an diesem Mittwochvormittag auf der Trampeltieranlage im Bernburger Tiergarten entwickelt, will so gar nicht in diese Idylle passen.
Die Geburt des Fohlens stockt. Mit Kopf und Vorderbeinen ist das Kleine bereits heraus. Doch hinten klemmt’s. Stundenlang. Tierpfleger versuchen schließlich nachzuhelfen. Doch das Fohlen hängt fest, lässt sich nicht aus dem Geburtskanal ziehen.
Marianne liegt auf der Seite und atmet schwer
„Zum Glück atmet es“, sagt Tiergartenleiter Andreas Filz, der dennoch in großer Sorge ist. Er greift zum Telefon, ohne Jens Thielebein geht es nicht. Der hallesche Zootierarzt ist gerade auf dem Weg zu einem Termin nach Aschersleben. Er ist in Mehringen, als ihn der Hilferuf aus Bernburg erreicht. Der Veterinärmediziner macht mit dem Auto sofort kehrt. Dieser Notfall geht vor.
Marianne liegt auf der Seite und atmet schwer, als sich Thielebein vorsichtig nähert. Die Kamelstute wirkt zunehmend erschöpfter. Andreas Filz krault ihren Kopf und spricht beruhigend auf sie ein. Dann spritzt der Tierarzt ihr ein krampflösendes Mittel in die Halsvene. Er weist die Tierpfleger an, die Hinterbeine mit Seilen festzuhalten, damit kein Helfer verletzt wird.
Angezogene Knie des Fohlens sitzen unter dem Becken der Mutter
Mithilfe eines Gleitgels tastet Thielebein nach den Hinterbeinen des Jungtieres und entdeckt das Problem: „Die angezogenen Knie des Fohlens sitzen unter dem Beckeneingang der Mutter.“ Er streckt die staksigen Beinchen behutsam, dann können die Helfer das Kleine endlich ganz herausziehen.
Thielebein trennt die Nabelschnur, dann wird das Fohlen auf eine wärmende Wolldecke gepackt. Es ist wohlauf. Wie seine Mutter. Marianne hat sich inzwischen aufgerappelt, beschnuppert ihr Junges und weicht ihm fortan nicht mehr von der Seite.
In der Natur wären beide ohne Hilfe gestorben
Bei den Helfern ist die Erleichterung ob der gelungenen Geburt groß. „In der Natur wären beide ohne Hilfe irgendwann an Erschöpfung gestorben. Das hätte sich Tage hinziehen können“, schätzt Thielebein ein. Derartige Notfälle seien aber sehr selten.
Dass er einem kleinen Kamel auf die Welt helfen muss, ist auch für ihn eine Premiere. Nach der ersten Begutachtung des Fohlens verkündet Zootierinspektor Thomas Suckow: „Es ist ein Mädchen!“ Ein noch namenloses. „Mit der Taufe befassen wir uns später. Jetzt ist erst einmal wichtig, dass es trinkt“, sagt Filz.
Noch am selben Tag soll es erstmals auf seinen eigenen wackligen Beinen stehen. „Wir hoffen, dass es freudig von der Herde begrüßt wird“, sagt der Tiergartenchef. Im Idealfall wird das Fohlen im Kreis der acht Artgenossen aufwachsen und in den nächsten Tagen auch auf der Anlage zu sehen sein.
Ebenso wie die fünf neugeborenen Lamas in unmittelbarer Nachbarschaft. „Wir haben jetzt schon einen kleinen Kamel-Kindergarten“, sagt Filz. Die jüngsten Geburten bei den Trampeltieren gab es im August 2018 und im April 2017. Diese zweihöckrige Großkamelart wird schon seit 1970 in Bernburg gehalten. (mz)