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Maßregelvollzug Bernburg Maßregelvollzug Bernburg: Warum Straftäter so leicht fliehen können

Von Oliver Müller-Lorey 11.07.2016, 19:09
Blick auf zwei vergitterte Fenster des Maßregelvollzugs im Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie in Bernburg
Blick auf zwei vergitterte Fenster des Maßregelvollzugs im Landeskrankenhaus für Forensische Psychiatrie in Bernburg dpa-Zentralbild

Bernburg - Innerhalb von lediglich 19 Tagen sind im Juni und Juli zwei Straftäter aus dem Maßregelvollzug für Suchtkranke in Bernburg (Salzlandkreis) geflohen. Ein 24-Jähriger, der wegen schweren Raubes mit räuberischer Erpressung verurteilt worden war, floh ebenso bei einem Ausgang auf dem Klinikgelände wie ein 35-Jähriger, der wegen gefährlicher Körperverletzung seit einem knappen Jahr dort untergebracht war. Von beiden fehlt trotz Fahndung jede Spur.

Abstufung in der Einrichtung

Kritiker des Maßregelvollzugs prangern an, dass die Klinik den Patienten die Flucht überhaupt ermögliche. Dies liegt jedoch am System an sich. Zur Erklärung: Beide Straftäter hatten sich bis zur dritten von sieben Lockerungsstufen vorgearbeitet. In den einzelnen Stufen werden den Insassen bei guter Führung und mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft abgestuft immer mehr Privilegien zuteil (siehe Grafik). Konsequenz: Die Straftäter durften sich in einer Gruppe auf dem offenen Klinikgelände frei bewegen.

„Die Patienten sollen schrittweise lernen, in einem weniger geschützten Raum wieder selbst Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen“, sagt Heike Mittelstedt, die ärztliche Direktorin des Landeskrankenhauses für forensische Psychiatrie, wie die Einrichtung offiziell heißt. Die Patienten müssten lernen, Verlockungen zu widerstehen. Dazu zählten etwa Alkohol - oder eben die Flucht.

Mittelstedt betont, dass genau geprüft werde, ob ein Patient bereit für die nächste Stufe sei. Ein Team, bestehend aus Stations-, Ober- und Chefarzt, dem zuständigem Therapeuten, Ergotherapeuten und Pflegepersonal entscheide über die Anträge der Patienten. „Aber es gibt keine hundertprozentige Sicherheit“, so Mittelstedt.

Zweckverhalten die Ursache?

Patienten könnten also auch durchaus ein Zweckverhalten an den Tag legen, sich an Regeln halten, um in die nächste Stufe zu gelangen und die neuen Privilegien dann auszunutzen. In den meisten Fällen der sogenannten „Lockerungsmissbräuche“ liege das nicht an der Sucht der Patienten, sondern an persönlichen Gründen wie Streit in der Familie.

Übrigens: Sollten geflohene Straftäter aus Bernburg gefangen werden, erwartet sie keine Bestrafung. Denn in Deutschland ist es nicht verboten, aus Gefängnissen oder dem Maßregelvollzug zu flüchten. Lediglich ihre Lockerungsstufen sind sie wieder los. (mz)