Köthener zeigen verfallene Orte Köthener zeigen Lost Places: Ausstellung in Bernburg zeigt Bilder als Zeugnis des Verfalls

Bernburg - Es tut der Seele gut, wenn sie sich an richtiger Kunst erfreut. Gelegenheit dazu bietet die am Donnerstag im Ameos-Klinikum Bernburg eröffnete Fotoausstellung „Lost Places“ („Verlorene Orte“). Keiner der sechs Aussteller ist ein professioneller Fotograf. Der eine arbeitet als Maurer, der andere als ein Logistiker, ein dritter ist Schlosser. Aber eines ist allen gemeinsam: Wenn sie über Fotografie reden, spürt man, dass sie keine Unerfahrenen oder Anfänger in der Fotokunst sind. Die sechs Fotografen sind Mitglieder der Vereinigung „Köthener Fotostammtisch“, die ihre Arbeiten seit dem Jahr 2014 schon zum dritten Mal im Ameos-Klinikum ausstellt.
Fotografen sind Abenteurer
Der Betrachter sieht auf den Bildern „Geisterkirche“ von Sebastian Triebel und „Blaue Kirche“ von Jürgen Kemnitz von Menschen vergessene Kirchen, er sieht Leere in „Das Stadtbad“ von Frank Bagroloski oder die Leblosigkeit in „Schaltzentrale“ von Jens Haberlandt. Die Fotokünstler sind gleichzeitig auch Abenteurer, weil sie Objekte betreten, die zwar verlassen aussehen, aber eigentlich einen Besitzer haben. Die Fotografien können durchaus nicht nur als Kunst, sondern auch als Zeugnisse des Verfalls kultureller Güter gelten. Einige der Bilder zeigen den Verfall aber bewusst als unvermeidlichen Prozess wie „Natur kehrt zurück“ von Bagroloski, das die zusammenbrechende ehemalige Schokoladenfabrik in Zeitz dargestellt.
Orte bleiben geheim
Es passiert nur selten, dass die Fotoverschwörer ihre „Tatorte“ verraten, um nicht für kaputte Türen oder Fenster verantwortlich gemacht zu werden und auch, um die Orte vor Plünderern zu schützen. „Unsere Regel ist: reingehen, fotografieren, rausgehen. Nichts machen, nichts mitnehmen, nichts hinterlassen“, erzählt Jürgen Kemnitz. „Das können nur Jüngere von uns schaffen“, sagt er. Der älteste der 14 Köthener, die die Vereinigung bilden, könne deshalb nicht an solchen Aktionen teilnehmen. Die Fotografen sagen, dass sie ihre Objekte so fotografieren, wie sie sind. Sie suchten vor Ort nur geeignetes Licht und bearbeiten das Foto zu Hause mit Photoshop, bis es ihnen gefällt. „Wenn nichts hilft, verwandeln wir das Foto in ein schwarz-weißes Bild“, spaßt Frank Bagroloski.
Bei der Betrachtung der Ausstellung würde man sagen, dass die Bilder schön sind, aber von einem Menschen stammen: Sie zeigen alle gleiches Sujet und gleiches Vorhaben. Das zeugt von Einigkeit in der Mannschaft, von guter Zusammenarbeit. Niemals betreten die Fotografen verlassene Gebäude allein.
Will man aber die individuellen Motive zeigen, dann ist die Distanzierung von gemeinsamer Fotophilosophie nötig.
Vielleicht „verletzte“ der Fotokünstler Kemnitz deshalb die Regel über die Nichtveränderung der Objekte und stellte absichtlich in die Mitte eines verlassenen Lokals einen Klavierflügel. Damit entstand ein zutiefst symbolisches und vermenschlichtes Bild mit dem Titel „Garbosee“ in einer menschenlosen Gegend. Für Dramatik sorgt nicht nur ein verstaubter und versteinerter Flügel, sondern auch ein prachtvoller roter Samtvorgang – das einzige bunte Objekt auf dem Bild. Diese Vereinigung des Gegensätzlichen verwandelt das Foto in wahre Kunst.
(mz)
