Koch muss seine Schafe neu zählen
Strenzfeld/MZ. - 100 seiner Muttertiere hat der Schäfer heute ins Ohr gekniffen. Seine zwei Helfer machen gerade Kaffeepause, bevor die übrigen Tiere neu gekennzeichnet werden.
Der 65-Jährige stapft langsam zurück in den Stall, vorbei an sechs kläffenden Schäferhunden, einer urinierenden Kuh und vielen, vielen Katzen. Gemächlich schiebt er seinen Bauch zwischen Strohballen und Heuhaufen hindurch.
Dann, plötzlich, stützt er sich auf ein Gatter, nimmt kurz Schwung und springt in eine Halle mit etwa 200 blökenden Schafen. Keine zehn Sekunden dauert es, da hat er sich ein schwarzköpfiges Fleischschaf geschnappt, setzt sich breitbeinig drauf und zeigt das Ohr her: "Ordnung ist das halbe Leben", murmelt er. Er habe seine Tiere schon immer einzeln markiert, um nachverfolgen zu können, von welchem Muttertier die Lämmer abstammen. Sogar nach Jahrgängen habe er unterschieden. Die neue EU-Regelung, wonach Schafe individuell gekennzeichnet werden, bedeute für ihn keine Mehrarbeit.
"Ich denke schon, dass das hilft, die Tierseuchen einzudämmen", zeigt er sich sicher. Aber seine Tiere würden kaum ins Ausland gehen und hauptsächlich in Deutschland verwertet werden. Darauf Einfluss nehmen, wohin die Schafe kommen, könne er aber nicht. Er lässt den Schwarzkopf laufen.
Inzwischen sind der Schwiegersohn und Praktikant Kevin Brinkmann zurück. "Herr Koch, darf ich Eine rauchen?", fragt der 18-Jährige. "Nein", lautet die bestimmte Antwort und leiser hinterher: "Man muss die Jugend erziehen."
Der Schwiegersohn Norbert Rentz, ein hoch gewachsener, starker Mann, drängt ein helles Merino-Landschaf Richtung Koch und hält es fest um den Hals. Der Schäfer schneidet vorsichtig die alte weiße Ohrmarke ab und kontrolliert, ob das Gewebe eitrig ist. Nein, alles sauber. Sorgfältig fingert er ein farbverschmiertes Notizbuch aus einem Karton und blättert bedächtig an die richtige Stelle, setzt seine Brille auf und notiert die Nummer, die dem Schaf ins Ohr tätowiert ist. Dann sortiert er die neuen gelben Ohrmarken der Reihe nach, nimmt eine davon und notiert auch diese Nummer. Das Schaf bäumt sich auf, Rentz kann es kaum halten, doch es ist schon alles vorbei. Vorder- und Rückseite der neuen Marke sind bereits im alten Ohrloch zusammengeknipst.
Die Helfer nehmen nun jeder ein Lamm in den Arm. "Denen können wir noch keine Marken verpassen, da würden die Ohren runterhängen", sagt der Schäfer. Die Zwillinge erhalten mit metallenen Prägestempeln eine rote Nummer auf den Rücken, die gleiche wie ihre Mutter. Dann schlüpfen sie aus den Armen. Brinkmann wird ungeduldig: "Darf ich jetzt eine rauchen?" Der Schäfer nickt abgehackt.