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Goldschmiede Stegmann Goldschmiede Stegmann in Bernburg: Die Letzten ihres Standes

Von Diana Serbe 24.03.2017, 08:55
Goldschmiedemeister Gisela und Klaus Stegmann, die ihr Geschäft mit nur fünf Ketten eröffneten, haben mittlerweile ein großes Sortiment an selbstgefertigten Waren geschaffen. Im Laden am Bernburger Boulevard lassen sich außer Uhren allerhand ganz spezielle Einzelstücke finden.
Goldschmiedemeister Gisela und Klaus Stegmann, die ihr Geschäft mit nur fünf Ketten eröffneten, haben mittlerweile ein großes Sortiment an selbstgefertigten Waren geschaffen. Im Laden am Bernburger Boulevard lassen sich außer Uhren allerhand ganz spezielle Einzelstücke finden. Engelbert Pülicher

Bernburg - Es ist der Vorweihnachtsabend 1999, als ein Mann den Laden der Stegmanns an der Lindenstraße betritt. Der 17-Jährige ist maskiert und bedroht die beiden Geschäftsinhaber mit einer Pistole und den Worten „Das ist ein Überfall!“.

Trotz Schocks geht alles glimpflich aus: Die Stegmanns können den Täter nach einer Stunde zum Aufgeben überreden, Wertsachen kann er nicht erbeuten.

Überfall bleibt für immer im Gedächtnis

Diese Szene ist Gisela und Klaus Stegmann noch heute ganz genau im Gedächtnis. Trotz mehrfacher Überfälle blicken die beiden Ladenbesitzer mit Freude auf ihr Geschäftsleben zurück.

Seit 1983 sind sie nun schon am Boulevard in Bernburg ansässig. Gisela Stegmann ist die einzige Goldschmiedin der Stadt und führt den Laden seit dem Ruhestand ihres Mannes Klaus alleine.

Eigentlich wollte Gisela Stegmann Buchdruckerin werden – bis sie wörtlich in den Beruf hineinschnupperte: Denn der Geruch passte ihrer Nase gar nicht. Ihr tschechischer Großvater war Goldschmied.

„Die Menschen in weißen Kitteln und Pinseln haben mir imponiert“, sagt Gisela Stegmann. Durch ihre Leidenschaft für Malerei und Kunst fasste sie den Entschluss, den Beruf in Köthen zu erlernen. Bis zum Meistertitel.

Über Stationen in Weimar und in Sangerhausen ist sie der Liebe wegen nach Harzgerode gekommen. Ihr Talent und ein freier Laden brachten sie schließlich nach Bernburg. Seitdem ist das Domizil an der Lindenstraße Wohnhaus und Arbeitsstätte zugleich.

Handwerkstradition wird gepflegt

Die Stegmanns pflegten und pflegen besondere Handwerkstraditionen, die heute zum Teil ausgestorben sind. Ehemann Klaus ist gelernter Werkzeugmacher und beherrscht die Kunst des Edelsteinschleifens.

Ihn hat sie in diesem Handwerk sogar ausgebildet. „Heute wird das leider zum Großteil maschinell in Asien betrieben“, sagt Klaus Stegmann.

Werkstatt und Verkauf gehen in dem kleinen Lädchen Hand in Hand. Gisela Stegmann fertigt alle ihre Waren selbst und bietet Reparaturen verschiedener Art an.

Kundschaft von 18 bis 80 Jahre

Die Auftragslage ist sehr gut, wie die Besitzerin erzählt. Das Alter ihrer Kundschaft reiche von 18 bis 80. Den Laden beträten ihre Kunden, um etwas Besonderes zu finden.

„Massenware brauchen wir hier gar nicht anzubieten“, sagt die Geschäftsführerin. Auch sie schmückt sich mit auffälligen Goldringen in allen möglichen Formen.

Auftraggeber hat Gisela Stegmann auch in Thüringen oder an der Ostsee. Im Harz habe Jagdschmuck, so genannter Grandelschmuck, Tradition. Davon kann sie einige angefertigte Teile zeigen.

Expertin ist sie auch in der Verarbeitung von Elfenbein- und Mammutschmuck. Trends hat Gisela Stegmann kommen und gehen sehen.

Sie ist sich sicher: Die Wertschätzung von Schmuck war früher höher. Da wurden Erbstücke innerhalb der Familie über Jahrzehnte weitergegeben.

Anregungen werden sich bei Urlaubsreisen geholt

Über das, was angesagt ist, informiert sich das Handwerker-Ehepaar auf seinen Urlaubsreisen. Zum Beispiel in Dubai oder zuletzt in Südafrika. Dort haben sich die beiden unter Tage in Diamantenminen angesehen, wie der Rohstoff überhaupt gewonnen wird.

„Man will ja verstehen und erklären können, was man da verarbeitet“, sagt Gisela Stegmann.

Um alles auszuprobieren, hat sich die Geschäftsführerin immer zu helfen gewusst. Besonders, wenn die Materialien wie zu DDR-Zeiten oft gefehlt haben. „Die Leute brachten mir ihr ganzes Gold - aus Zahnfüllungen, alten Trauringen oder von der Oma im Westen“, sagt die Goldschmiedin.

Lange Schlangen an Verkaufstagen

Bis zur Wiedervereinigung haben die Stegmanns ihren Laden nur einmal wöchentlich geöffnet, den Rest der Woche musste sich die Chefin in ihrer Werkstatt einschließen.

„Ansonsten wäre ich mit der Erfüllung der Aufträge nicht hinterhergekommen.“ Vor dem Geschäft bildeten sich an den Verkaufstagen lange Schlangen. Als davon am 8. März 1989 ein Bild entstand, ist auch die DDR-Staatssicherheit aufmerksam geworden.

Für den Fortbestand ihres Geschäfts wünscht sich die rüstige Goldschmiedin mehr Unterstützung von Seiten der Stadt: „Ohne Parkflächen ist es vor allem für unsere Anlieferer schwierig.“

Nachfolge wird zum Problem

Um Nachfolger steht es schlecht. Sohn Guido wurde von seinen Eltern zum Goldschmied ausgebildet. „So gut, dass er als Sachverständiger abgeworben wurde und nicht mehr hier lebt“, sagt Klaus Stegmann. Im Umkreis von etwa 50 Kilometern gibt es laut Gisela Stegmann nur einen Auszubildenden in diesem Beruf.

Das weiß sie deshalb so genau, weil sie sich als stellvertretende Obermeisterin der Handwerksinnung selbst um Lehrlinge kümmert. „Für ein eigenes Geschäft fehlt den jungen Menschen nach der Ausbildung das finanzielle Polster“, sagt die Goldschmiedin. „Und wer will sich dann schon mit einem Kredit belasten?“.

Sie sieht die Situation um den Einzelhandel in der Saalestadt realistisch: „Viele denken, als Einzelhändler kann man auf großem Fuß leben und das mit Statussymbolen zeigen - das geht leider schnell schief.“

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Läden eröffnen, wechseln den Besitzer oder ihren Standort, sie schließen wieder. Und doch gibt es sie noch - die Traditionsgeschäfte in der Region, die teilweise sogar verschiedenste Gesellschaftsformen mit- und überlebt haben. In Bernburg mehr als in den umliegenden Kleinstädten und Dörfern, die aufgrund der niedrigen Kaufkraft noch viel mehr mit der wachsenden Konkurrenz aus dem Internet zu kämpfen haben. Aber eben nicht jede Dienstleistung und jedes Produkt lässt sich heutzutage mit einem Mausklick online nach Hause bestellen. Was wäre das für ein Leben ohne Bäcker, Fleischer, Friseure, Modeboutique, Optiker oder Tabakhändler vor Ort?

Die MZ wird in der Serie „Unsere Schaufenster“ einmal wöchentlich Geschäfte im Altkreis Bernburg vorstellen, die mindestens ein Jubiläum gefeiert haben, die es also schon 25 Jahre und länger gibt. (mz)

Lange Schlangen bildeten sich vor dem Haus Lindenstraße 24, wenn die Goldschmiede-Meister Stegmann einmal wöchentlich ihr Geschäft für Verkauf und Reparaturannahme öffneten. Zu DDR-Zeiten erregte das Bild vom „Schlangestehen“ sogar Aufsehen bei der Staatssicherheit.
Lange Schlangen bildeten sich vor dem Haus Lindenstraße 24, wenn die Goldschmiede-Meister Stegmann einmal wöchentlich ihr Geschäft für Verkauf und Reparaturannahme öffneten. Zu DDR-Zeiten erregte das Bild vom „Schlangestehen“ sogar Aufsehen bei der Staatssicherheit.
Engelbert Pülicher