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Carsten Stahl Carsten Stahl am Campus Technicus in Bernburg: "Mobbing zerreißt Kinderseelen"

Von Carsten Roloff 08.05.2018, 09:54
Carsten Stahl hatte die volle Aufmerksamkeit seiner Zuhörer bei einem brisanten Thema.
Carsten Stahl hatte die volle Aufmerksamkeit seiner Zuhörer bei einem brisanten Thema. Engelbert Pülicher

Bernburg - Die Schüler der zehnten Klasse, die am Mittwoch ihren letzten Schultag haben, saßen in Kostümen in der Aula des Campus Technicus. Dagegen betrat Carsten Stahl am Montagvormittag die Aula des Campus Technicus ganz in grau.

Das Motto der Veranstaltung stand in greller roter Farbe auf der Rückseite des Sweatshirts des ehemaligen Schauspielers, der durch die Pseudo-DokusoapPrivatdetektive im Einsatz“, bekannt geworden ist: Stoppt Mobbing. „Seit Tagen, seit Wochen, seit Monaten fiebern wir diesem Tag entgegen. Jetzt ist dieser Tag da und auch Carsten Stahl“, lautete die kurze Ansprache von Schulleiterin Christine Brauns.

„So etwas wurde mir bisher noch nie geboten“

Über den Kostüm-Aufzug der Zehntklässler hatte sich der Berliner vor seinem Auftritt gewundert. „Ich dachte erst, ich hätte mich in der Haustür geirrt, denn so etwas wurde mir von den bisher über 29.000 Teilnehmern dieses Kurses noch nie geboten“, so Carsten Stahl, der nach diesem kleinen Spaß jedoch sofort zur Sache kam, denn wegen Mobbings nimmt sich jeden zweiten Tag ein Teenager in Deutschland das Leben.

Aus diesem Grund gab es auch die drei Amokläufe in Erfurt, Winnenden und München. „Es wird weggehört, weggeschaut oder geschwiegen. Die Lehrer stehen dieser Situation hilflos gegenüber, weil das politische System versagt und keine Lösungen hat“, sagte der gebürtige Berliner.

Stahl hatte das Mobbing seines Sohnes erlebt

Und Lösungen will der Familienvater anbieten, wobei es für sein Engagement gegen Mobbing ein einschneidendes Erlebnis gab. Nach seinem zweiten Schultag im Sommer 2014 beschimpfte sein Sohn Nicolai mit nicht druckreifen Wörtern seine kleine Schwester Natascha und hielt sich dabei die Hände vor das Gesicht, als sein Vater Carsten Stahl ihn nach dem Grund fragte.

Der Abc-Schütze blutete nach Schlägen von älteren Schülern an der Lippe, hatte Hämatome im Gesicht. Blitzartig wurde der Albtraum von Carsten Stahl aus seiner eigenen Kindheit wieder lebendig.

Als Zehnjähriger wurde er über Monate lang von vier Jungs gehänselt, beleidigt, getreten und geschlagen. Er schwänzte die Schule, um der Tortur zu entgehen. Und wurde von seinen Eltern nach dem Hinweis eines Lehrers wieder dorthin gebracht.

„Die Schläger haben gedroht, wenn ich etwas sage, dass sie meine Mutter töten“, so der gemobbte Schüler, der selbst sein Schweigen nicht brach, als er von seinen Peinigern in eine drei Meter tiefe Grube gestoßen wurde, sich die Rippen brach und dort in Eiseskälte fünf Stunden lang.

Antworten in der Aula waren ehrlich, aber nicht überraschend

Nach dieser traurigen Episode hielt der Kursleiter den Bernburger Jugendlichen den Spiegel vor das Gesicht. Die Antworten in der Aula waren ehrlich, aber auch nicht überraschend. 90 Prozent der Schüler waren schon Opfer von Mobbing, 90 Prozent selbst Täter und 70 Prozent gaben zu, dass sie weggeschaut haben.

„Ihr seid nicht besser oder schlechter als die anderen. Dieses Resultat habe ich bei meinen 250 Besuchen im Jahr deutschlandweit auch an den meisten anderen Schulen erhalten“, erklärte Carsten Stahl und redete seinen Zuhörern ernsthaft ins Gewissen. „Mobbing zerreißt Kinderseelen, das aufkommende Cybermobbing zerfetzt sie.

Ihr seid die Zukunft und könnt nur als Gemeinschaft etwas verändern.“ Nach diesen Worten standen die Neunt- und Zehntklässler Schlange und bekannten sich mit ihren Unterschriften dazu, dass Mobbing an ihrer Schule keinen Platz mehr hat und die Starken die Schwachen schützen werden. (mz)

Nachdenklich verfolgten die Schüler am Campus Technicus Bernburg den fesselnden Vortrag.
Nachdenklich verfolgten die Schüler am Campus Technicus Bernburg den fesselnden Vortrag.
 Pülicher