Besondere WG in Bernburg Besondere WG in Bernburg: Flüchtlinge und Deutsche unter einem Dach

Bernburg - Arman (Namen von der Redaktion geändert) ist eigentlich kein Frühaufsteher. Doch die Schule beginnt nun einmal recht zeitig - und der 17-Jährige hat keine andere Wahl. Zwischen 6 und 7 Uhr klingelt wochentags der Wecker. In seiner Heimat, in Afghanistan, sah der Tagesablauf etwas anders aus. „Die Jugendlichen mussten sich erst daran gewöhnen, dass der Tag hier in Deutschland früher anfängt“, sagt Ralf Trümpler, der seit zwei Jahren minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge betreut. Seit April dieses Jahres ist er Teamleiter in einer Wohngruppe der Stiftung Evangelische Jugendhilfe in der Friedensallee, wo deutsche und ausländische Jugendliche zusammenleben.
Siebzehn Flüchtlinge in allen Einrichtungen
Momentan sind es sieben Heranwachsende zwischen 15 und 17 Jahren, davon zwei Deutsche. Insgesamt werden derzeit nach Angaben von Bereichsleiterin Katrin Schütze-Dittrich 17 junge Flüchtlinge in den Einrichtungen der Stiftung Evangelische Jugendhilfe betreut. Sie kommen vor allem aus Syrien und Afghanistan, aber auch aus Albanien und Indien. Der Träger habe schon andernorts gute Erfahrungen mit dem integrativen Modell, wie es in der Friedensallee praktiziert wird, gemacht. „Das Zusammenleben soll dazu beitragen, dass Vorurteile abgebaut werden“, erläutert Schütze-Dittrich.
Schule, Freizeit, Abendessen
Das Gebäude ist in einzelne Wohnbereiche unterteilt - jeder mit einer eigenen Dusche und einer kleinen Küche. Hierher können sich die Jugendlichen zurückziehen. Sie haben aber auch jederzeit die Möglichkeit, etwas mit den anderen zu unternehmen. „Wir versuchen, die Jugendlichen in die offene Jugendarbeit in der Stadt zu integrieren“, sagt Schütze-Dittrich. Nach der Schule würden sich die Jugendlichen aber erst mal entspannen - oder manchmal auch zusammen kochen, erzählt Betreuer Ralf Trümpler. Nachmittags steht Hausordnung auf dem Plan, gemeinsames Einkaufen - schließlich müssen sie lernen, mit ihrem wenigen Geld hauszuhalten, - oder eben Freizeit. Abends treffen sich alle zum gemeinsamen Abendessen - sofern die jungen Leute das möchten.
Umstellungen für die Jugendlichen
Gegen 22 Uhr sei dann Nachtruhe. „Auch das war für die Jugendlichen eine Umstellung“, sagt Ralf Trümpler. Inzwischen hätten sie sich aber ebenso daran gewöhnt, wie an andere Regeln und Pflichten, die für das Zusammenleben in einer Gruppe unablässig sind.
Ansonsten seien die jungen Ausländer aber auch nicht anders als junge Deutsche, sagt Ralf Trümper, der alle so nimmt, wie sie sind. Er gehe stets offen auf die Jugendlichen zu und biete ihnen seine Hilfe an, sagt er. Wenn die jungen Leute in Deutschland ankommen, sei für sie erst einmal das Gefühl von Sicherheit wichtig, sagt Trümpler, der sich in Schulungen auf die Betreuung junger Ausländer vorbereitet hat.
„Sie wollen erst mal nur essen, schlafen und sich ausruhen“, weiß er aus Erfahrung. Einige seien auch traumatisiert von den Erlebnissen in ihren Heimatländern, aber auch von der Flucht. Er und seine Kollegen - vier Erzieher, ein Alltagscoach sowie eine „Hausmutti“ - sind daher abwechselnd rund um die Uhr vor Ort, damit die jungen Flüchtlinge immer einen Ansprechpartner haben. Einen Dolmetscher braucht Ralf Trümpler in den seltensten Fällen. Man würde sich auch so verstehen.
Deutschkurse vor der "Einschulung"
Nach der Zuteilung auf die Landkreise würde zunächst ein Vormund bestellt, erläutert Trümpler das Prozedere. „Erst dann können sie in die Schule gehen.“ Zuvor jedoch würden die jungen Leute Deutsch-Kurse besuchen. „Sie haben ein großes Interesse daran, Deutsch zu lernen“, betont er. Schließlich wollten sie eine gute Ausbildung.
Oft würden sie nach der Schule noch gemeinsam Deutsch lernen. So auch an diesem Nachmittag. Arman, Hamid (16) und die anderen sitzen in einem großen Raum über ihre Bücher gebeugt. Salim steht indes vorn an einem Flip-Chart und schreibt deutsche Vokabeln auf.
Der 17-Jährige ist gerade einmal achteinhalb Monate in Deutschland. Doch er spricht inzwischen so gut Deutsch, dass er die anderen unterrichten kann. Ja, zwischendurch scherzt er sogar in der neuen Sprache. Salim kommt aus einer Kleinstadt in Afghanistan.
Er ist geflohen vor Krieg und Gewalt. Krieg habe es in seiner Heimat schon immer gegeben. „Aber in den letzten Jahren war es besonders schlimm.“ Daher habe er sich entschlossen, Afghanistan zu verlassen. Zu Fuß, per Zug und Schiff gelang ihm die Flucht nach Deutschland. Später, sagt Salim, möchte er gerne Philosophie studieren.
Auch Arman und Hamid sind vor der unsicheren Situation in ihrer Heimat geflohen. Rund zwei Monate war Hamid unterwegs, der aus einem kleinen Dorf in Afghanistan stammt. Auch wenn er noch etwas Probleme mit der deutschen Sprache hat - in die Schule, so versichert er, geht er gern, auch wenn er dafür so zeitig aufstehen muss. (mz)
