Bernburg Bernburg: Sprachexperten uneins über Schreibweise der «Schloßstraße»
bernburg/MZ. - Oder besser gesagt, das erste von zwei "ß" aus der Anschrift "Schlossgartenstraße 16". Schuld ist die jüngste Rechtschreibreform, die nach zehnjährigem Tauziehen und einhergehenden Überarbeitungen 2006 in Kraft getreten war.
Demnach folgt auf einen kurzgesprochenen Vokal wie im Begriff "Schloß" nun ein "ss" statt eines "ß". Daraus folgt, dass die Schreibweisen "Schlossstraße" oder "Schlossgartenstraße" korrekt sind. Der Begriff "Straße" wird auch nach der Reform mit "ß" geschrieben, da hier der Vokal "a" lang gesprochen wird.
Aber ist eine Straßenbezeichnung nicht ein Eigenname, der damit von der Rechtschreibreform verschont bleibt? Darüber streiten sich Sprachexperten weiterhin trefflich. Für Reinhard Markner, Vorsitzender der Forschungsgruppe Deutsche Sprache, steht fest, dass die "Schloßgartenstraße" mit Buckel-S geschrieben werden muss. "Wenn dem Bernburger Stadtrat diese Schreibung nicht mehr zusagt, möge er eine andere beschließen", sagte er auf Nachfrage der MZ. Bislang hat der Stadtrat dies nicht getan, die Straßenschilder mit der altbekannten Schreibweise haben also weiter Gültigkeit.
Dass die Stadtverwaltung dennoch das "ß" eliminiert hat, begründet Dezernentin Silvia Ristow mit einer Nachfrage bei der Duden-Redaktion, die die Schreibweise mit einem doppelten "s" empfehle. Eben auch für Straßennamen. Aus Sicht von Juergen Folz von der Duden-Sprachberatung ist nämlich nicht der Straßenname selbst ein Eigenname. Entscheidend sei vielmehr, ob die Herkunftsbezeichnung einen Eigennamen darstelle. In diesem Falle gelte "Schloss" nicht als solcher.
Kritiker könnten nun wieder entgegnen: Das Schloß Bernburg, von dem sich die Straßenbezeichnung zweifelsohne ableitet, ist ein feststehender Eigenname. Auf diesen beruft sich allerdings nicht mal das dort beheimatete Museum, das sich nun "Museum Schloss Bernburg" schreibt. Aber: Die Straße heißt eben nicht "Schloß-Bernburg-Straße", sondern schlicht und einfach "Schloßstraße", die der Stadtverwaltung die Schreibweise "Schlossstraße" ermöglicht.
Anders liegt der Fall in Bernburg bei der "Staßfurter Straße" und der "Keßlerstraße". Erstere ist nach der Nachbarstadt Staßfurt benannt. Und da Staßfurt weiter mit "ß" geschrieben wird - eine Umbenennung dürfte den dortigen Stadtrat sicher auch gar nicht in den Sinn kommen -, bleibt bei der Straßenbezeichnung alles beim Alten. Wie auch bei der "Keßlerstraße" an der Parkinson-Klinik. Sie ist benannt nach dem Kommerzienrat Theodor Keßler - ohne jeden Zweifel ein Eigenname.
An der neuen Schreibweise von Straßennamen hatten sich auch die Gemüter in Berlin erhitzt. Dort pochten die Mitarbeiter der Stadtverwaltung auf die alte Schreibweise und verwiesen auf die Ausführungsvorschriften zur Straßenbenennung. Demnach richtet sich die Schreibweise einer Straße nach der Rechtschreibregel zum Zeitpunkt der Benennung. In der Bundeshauptstadt blieb man deshalb bei der "Schloßstraße". Schon aus Kostengründen. Denn der Austausch eines Straßenschildes schlägt mit rund 100 Euro zu Buche. Und ganz sicher ist auch nicht, ob die Anwohner für eine Adressänderung im Personalausweis zur Kasse gebeten werden müssen. Ist die Änderung der Schreibweise eine Straßenumbenennung oder nur eine Korrektur?
Für Reinhard Markner hat die Reform nur eine Folge: "Die Änderung der Verteilung von ,ss' und ,ß' hat nachweislich zu einem Anstieg der Fehlerzahlen geführt - an Schulen ebenso wie in den Zeitungen."
Und die Moral von der Geschichte? Jeder kann die Schloßstraße weiterhin schreiben wie er will. Denn per Gesetz ist kein Bürger dazu verpflichtet, die neuen Rechtschreibregeln auch anzuwenden. Heikel liegt die Sache nur für Schüler, die sich ans Reformwerk halten müssen. Die Gymnasiasten des Carolinums müssten die Adresse ihrer Schule mit "Schlossgartenstraße" angeben - auch wenn vom Straßenschild vor dem Gymnasium das Buckel-S noch nicht verbannt ist.