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Bernburg Bernburg: Abgeklärter Blick auf die Absurditäten des Lebens

Von KATRIN BOESE 24.10.2010, 17:23

BERNBURG/MZ. - Die Ähnlichkeit ist verblüffend. Für jeden Esoteriker wäre klar: Meigl Hoffmann ist die Reinkarnation Otto Reutters! Für Otto Normaldenker aber steht schon bald fest: Der Leipziger Komiker und Kabarettist Meigl Hoffmann ist ein begnadeter Interpret Otto Reutters, jenes großen Humoristen, der fast ein halbes Jahrhundert ein umfeierter Star auf den Bühnen deutscher Varietés war.

Nun ist Hoffmann angetreten, in seinen Programmen Reutters umwerfend komische Couplets voll Wortwitz und tiefsinniger Lebensweisheiten wieder auferstehen zu lassen. Mit Karsten Wolf am Klavier, der auch Pianist bei den Leipziger "academixern" ist und eine schicksalhafte Begegnung, wie Hoffmann verrät, lässt er den Humoristen des vorangegangenen Jahrhunderts so lebendig werden, dass der Abend zum einzigen Vergnügen gerät.

"Mir ham'se als geheilt entlassen" heißt das Couplet, das dem Programm der beiden Künstler im ausverkauften Metropol den Namen gibt. Schauplatz desselben ist der Bahnhof des Altmarktstädtchens Gardelegen, in dem Reutter 1870 das Licht der Welt erblickte. Ein Koffer ist auf dem Bahnsteig zurückgeblieben, und ein Dienstmann macht sich auf die Suche nach dem Besitzer des Koffers. Es könnte ja des berühmten Humoristen Koffer sein . . .

Mit abgeklärtem Blick auf die Absurditäten des Lebens reimte Reutter seine unbeschreiblich witzigen Couplets - zielsicher wählt Hoffmann die wieder aktuellen aus. Das beginnt mit dem Lied "Durch Deutschland geht ein Schrei, mit dem Nachwuchs ist's vorbei", geht in die Wirtschaftskrise der Nachkriegsjahre, in der alles überlegt, wie das Geld zu retten zu sei, und beklagt die schnelllebige Zeit mit ihrem rasantem Tempo. Da hilft es nur noch, ganz stoisch ein "Optimiste" zu sein oder sich "über jar nischt mehr zu wundern". Die Welt wird ohnehin nie verschwinden - "wo soll se denn ooch hin?"

Ein stilles, leises Lied gibt es auch - Reutters einziger Sohn ist vor Verdun gefallen. Hoffmann gestaltet dies stille Lied mit Respekt vor dessen Schöpfer. Der Menschenkenner Reutter kannte auch die Frauen. Da ist Hoffmann in seinem Element. "Wenn Frauen was kaufen" singt und spielt er grandios; erst recht grandios - weinerlich mit gezücktem Taschentuch - ist dann "Ich hab zu viel Angst vor meiner Frau". Fazit: "Bei der Heirat kann man leicht vorbeiheiraten". Das rollende 'R' dabei erinnert an den Meister.

Und zu guter Letzt erscheint der auch persönlich, in dunklem Tuch, mit schwarzer Melone und weißem Künstlerschal. Dann gibt es das Lied über die schönste Freude im Leben - nein, nicht Wein, Liebe und Gesang. Die schönste Freude des Menschen ist die Schadenfreude! Riesenapplaus "erzwang" zwei Zugaben - den unvermeidlichen, immer wieder herrlichen "Überzieher" und "Alles nur weg'n de Leut'!" Und auch hier eine zeitlose, diesmal jedoch beruhigende Erkenntnis: "Frauen gehen immer modern, weg'n de Leut'!"