Kranken- und Pflegeversicherte Bergleute: Knappschaft-Krankenkasse schließt Büro im Kustrenaer Weg in Bernburg

Bernburg - Kahlschlag bei der Krankenversicherten-Beratung der Knappschaft: Sämtliche Außensprechtage ihrer Geschäftsstellen in Sachsen-Anhalt fallen ab dem kommenden Monat weg.
Betroffen vom Sparkurs sind acht Standorte, darunter traditionsreiche Bergbauorte wie Zielitz, Hettstedt, Sangerhausen, Gräfenhainichen, Braunsbedra.
Bernburg macht da keine Ausnahme. Letztmalig steht eine Knappschaft-Mitarbeiterin an diesem Donnerstag, 25. Januar, im Büro Kustrenaer Weg 7 neben dem Eingang zum Esco-Salzwerk für eine persönliche Beratung zur Verfügung.
Kritik von Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie
Der Rückzug aus der Fläche der Knappschaft-Krankenversicherung, die längst nicht mehr nur Bergleute betreut, stößt bundesweit mehr oder weniger auf Widerstand. In Mansfeld-Südharz etwa protestierte der Kreis-Seniorenrat gegen die Schließung zweier Beratungsstellen. Dirk Lehnert, Sekretär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie Halle-Magdeburg sagte: „Wir sind sicherlich nicht zufrieden damit.“
In Bernburg schlugen die Knappschaftsältesten Alarm: Jürgen Liedloff und Heinz Geßner betreuen als Männer der ersten Stunde die Versicherten in Rentenfragen - seit Eröffnung der Beratungsstelle im Jahr 1995 - ehrenamtlich jeden Dienstag von 9 bis 12 Uhr und nach Vereinbarung unter Telefon 03471/81 12 63. Daran
wird sich nichts ändern, betonen die beiden Bergbaurentner, die sich über mangelnden Zulauf nicht beklagen können. Mit großer Sorge verfolgen sie aber, was ihre Knappschaft in Sachen Kranken- und Rentenversicherung plant. Deutschlandweit werden Geschäftsstellen geschlossen, Sprechtage wie in Bernburg gestrichen.
„Beratungsbedarf an Sprechtagen ist gesunken"
„Wir haben festgestellt, dass sich die Kundenwünsche hinsichtlich der Kontaktaufnahme mit ihrer Krankenkasse verändert haben und die Beratung per Internet oder Telefon im Fokus steht. In den vergangenen 20 Jahren ist der Beratungsbedarf an Sprechtagen um rund 80 Prozent gesunken. Sie sind nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben“, erklärt Knappschaft-Pressesprecher Wolfgang Buschfort das Streichkonzert.
Auf konkrete MZ-Nachfrage, ob es Einzelfallprüfungen gegeben habe, muss er allerdings zurückrudern. Die Behauptung, der Bedarf an persönlicher Beratung ist in Bernburg signifikant gesunken, will er dann doch nicht stehen lassen. Zumal die hiesigen Knappschaftsältesten versichern, dass der donnerstägliche Sprechtag nach wie vor guten Zuspruch seitens der Versicherten erfährt.
Und die angebotene Alternative, die Beratung per Telefon, bereits jetzt mit erheblichen Wartezeiten verbunden sei, gerade für ältere Menschen der Online-Service keine Option sei. Umso unverständlicher ist Heinz Geßner der pauschale Kahlschlag: „Wir sind doch nicht mit einer Steinkohle-Region vergleichbar. Bei uns wird noch in den nächsten Jahrzehnten Salz gefördert“, ist er überzeugt, dass die Knappschaft auch in Zukunft einen großen Kundenkreis in der Region hätte.
Wechseln Versicherte zu Kassen mit Beratung vor Ort?
Dieser könnte nun aber Konsequenzen ziehen und zu einer Krankenversicherung wechseln, die nicht nur günstigere Beiträge, sondern auch eine persönliche Beratung vor Ort garantiert. Bislang hatten viele Bergleute aus Traditionsbewusstsein und der direkten Beratung am Salzwerk wegen die Treue gehalten. Dass Versicherte in Größenordnungen abwandern - dieses Gefahrenpotenzial will der Knappschaft-Sprecher nicht bestreiten.
Er führt aber noch einen Grund an, weshalb der Außensprechtag nicht aufrechterhalten werden könne. Aufgrund einer jüngsten Gesetzesänderung dürfe eine Kollegin die Beratung nicht mehr wie bislang allein vornehmen, es müsste also immer ein zweiter Mitarbeiter aus der Geschäftsstelle Magdeburg mit nach Bernburg fahren. Dies ist, so Wolfgang Buschfort, unrentabel. (mz)